Archive for Februar, 2008

Volksbus

Mittwoch, Februar 27th, 2008

Da ich am Montag zu spät gecheckt habe, dass ich mich um ein Busticket kümmern sollte (vielleicht lagen mir noch die beiden letzten Tage in den Beinen 🙂 ) bin ich auch am Montag noch bei den Kerschers geblieben, die mich Gott sei Dank nicht ganz so schnell loshaben wollten! Wir haben also noch die Deutsche Schule angeschaut. Feines Gelände, Hut ab sag ich da nur! Wenn es Winter ist übernimmt das der Wind der hier durch das offene Schulhaus pfeift, ansonsten wenig zu beanstanden (mit der Ausnahme, dass ich hier noch nicht arbeite! 😉 ). Danach ein feines Risotto und eine Runde am Strand. Beides der Rede wert! Aber der wahre Gentleman genießt und schweigt! Ich habe schon über Valparaíso ewige Schwärmereien und Lobeshymnen verbreitet, darum will ich mich jetzt mal zurückhalten ]:-)

Im Turbus ging es also dann man Dienstag früh um 7 Uhr los in Richtung Talca, wo ich einen kleinen Zwischenstopp vor Temuco machen will. Fünf Stundem fahrt also in einem bequemen Mercedes-Benz-Bus der am Heck stolz den übergroßen Aufkleber „Made in Brasil“ trägt. Na, das ist doch mal schön. Die Konkurrenz fährt mit dem ebenso schicken Modell „Volksbus“ von VW, als Logo leisten sich die Wolfsburger (oder Brasilianer? Ich weiß nicht!) allerdings nur einen Aufkleber. Der sieht im Vergleich zum Blech-Benz-Logo etwas schäbig aus, die Innenausstattung ist aber gleich bequem. So mache ich es mir also mit Musik gemütlich und sinniere über andere Automarken jenseits von VW die hier Busse machen und zu Hause nicht. Vauxhall ist hier ja auch Chevrolet, aber ein Astra ist es allemal. „Valpo war schöner“ denke ich mir und meine damit nicht nur die Globalisierung sondern vor allem die Orte südlich von Santiago. Aus meinen Träumereien weckt mich der Fernseher über mir. Das Columbia-Logo ist noch zu sehen, dann fällt das Bild aus, der Ton ist aber immer noch nervtötend! Ich habe ja bereits in einem anderen Beitrag gesagt, dass die Busse hier gerne Flieger wären. dazu gehört natürlich obligatorisch das Vorführen eines Films. Nach 45 Minuten stellt sich das Bild wieder ein und ich erkenne, dass ich „Hollywood Cops“ gehört habe. Feine Sache, Harrison Ford auch mal Spanisch reden zu hören. Die Landschaft wird grüner, die Häuser ärmlicher aber nicht schlimm. Personalisierte Werbung saust an mir vorbei: so wirbt eine Baufirma für ihre Ziegel mit der Behauptung, in Talca baue man nur mit ihrem Produkt. Eine Apothekenkette schließt sich kurz darauf an und sagt „In Talca gibt es kein Kopfweh!“ Na dann, auf nach Talca, denk ich mir. „In Talca ist niemand allein“ teilt mir eine nationale Versicherung einen Kilometer später mit. Gute Sache so eine Werbefirma, da hat man mal eine gute Idee und für etwas Kleingeld darf jeder mal den feinen Spruch auf sich ummünzen. „In Talca tragen die Leute Schuhe“ denke ich mir als ich eine Werbetafel mit einem Lederschuh erkenne. War aber nix, langweilige Werbung ohne den „innovativen“ Spruch von eben. Ach was soll’s, wir sind eh schon da. Noch mal kurz auf den Topf hinten im Bus und schon sind wir im Terminal. Ich wehre mich irgendwie „Busbahnhof“ zu sagen, aber ich glaube das ist das deutsche Wort oder? Klingt jedenfalls irgendwie komisch. Anregungen bitte als Kommentare zum Eintrag!!! Egal, alle Chilenen fahren jedenfalls Bus und dem entsprechend groß sind auch die Terminals (dieses Wort transportiert so schön die hier angestrebte Flughafensymbolik, toll!). Auch so ein Nest wie Talca hat gleich mal 30 davon und alle sehen rege benutzt aus. Kein Wunder: billiger (rund 10€ von Viña bis Talca) als mit Bus geht es nicht! Alle fahren mit, VW hat also mit seinem Modellnamen echt den Nerv getroffen. Das hat aber auch der Leiter des Casa Chueca, für mich jedenfalls. Gut 10 km außerhalb Talcas, mit dem Bus locker und für 20 Cent zu erreichen, lasse ich es mir allein im 6er-Zimmer oder am Pool gut gehen. Schön der Kontrast zur Stadt!!! Absolute Ruhe und Entspannung, bevor es dann wieder auf einen Berg geht, diesmal etwas näher an den Anden.

Ein Traum in Wellblech

Montag, Februar 25th, 2008

Ausschlafen war am Sonntag nicht, die Tour noch in den Beinen ging’s um 9 Uhr zur Metro von Viña del Mar die drei Stationen nach Valparaíso. Eine schöne neue Bahn war das, die uns direkt zur Hafenpromenade gebracht hat. Die Kerschers haben uns einen eigenen Stadtführer gebucht, der sogleich in schnellstem Spanisch begann uns den Hafen zu erklären (ich habe die Theorie aufgestellt, dass gebürtige Spanischsprecher ein Gen haben, das ihnen erlaubt einen hohen Prozentsatz des zum Leben nötigen Sauerstoffs durch die Haut aufzunehmen). Auf dem Pier ging’s ordentlich zu weil ein Triathlon entlang des Hafens stattgefunden hat. Feine Sache, vom Radl runter und rein in den Neoprenanzug um zur nächsten Boje und zurück zu schwimmen, was im kalten Humboldtwasser vom Hafen definitiv kein Familienausflug ist! Der Blick auf die Stadt entschädigt aber für alles!!! Valpo (so sagt man das als einer der sich hier auskennt! 🙂 ) liegt in einer großen Lagune, die sich nach Norden öffnet, nicht wie andere Städte hier in der Ebene, sondern viel mehr wie Rom auf ein paar Hügeln. Der Chilene zählt gut 40 davon und sagt dies auch stolz mit Referenz zur ewigen Stadt. Valpo scheint nicht ewig zu sein. Die zahlreichen Erdbeben die die Stadt seit ihrer Gründung 1544 durch die Spanier zerstört haben, sorgten für steten Baufluss. Das letzte Erdbeben in den 1980ern hat noch einmal vielen alten Gebäuden den Rest gegeben. Wer jetzt aber denkt Valpo wäre ein Mekka moderner, ewig gleicher Fertigbaukunst der irrt sich gewaltig. Valpo ist nicht wie andere Städte, schon gar nicht wie andere chilenische Städte und Häuser aus der Kolonialzeit gibt es auch noch! Wo sonst der geplante Stadtbild mit Hauptplatz im Zentrum und parallelen Straßen rund herum vorherrscht, vergleichbar mit einem karierten Blatt aus der Grundschule (ungelocht ohne Rand 😉 ), ist Valpo vergleichbar mit einem eben solchen Blatt, dass man zerknüllt und an manchen Stellen eingerissen hat und sodann darauf wartet, dass es sich von ganz alleine wieder ein Stückchen auffaltet. Das kommt an einem Stadtplan Valpos sehr nahe. Die Stadt ist bereits sehr früh aus der spärlichen Lagunenfläche die einzelnen Hügel hinauf gekrochen. Da wo Platz war wurde gebaut (zerknüllte Kästchen), dort wo kleine Rinnsale die Hügelflächen eingeschnitten haben und so zwei Hügel von einander getrennt haben, wohnt und baut niemand (Risse und Falten im Papier). So wurden über die Jahrhunderte einer nach dem anderen alle Hügel bebaut so dass heute rund 300.000 aus ihren Häusern mehr oder minder gut auf die Stadt und ihren Hafen blicken können.

Wir gehen vom Hafen in Richtung Marktplatz durch ein Bauhausstilviertel aus den 1920ern. Gebaut für die Professoren der einst namhaften Uni nebenan ist es heute etwas verkommen aber nicht unansehnlich. Die Runden Formen der Häuser mit ihren bunten Farben passen sehr gut in das quirlige geschehen zwischen Hafen und Markt. Der Markt selbst ist in auffälligem gelb und Rottönen gehalten, deren schwarze Abgas- und Schmutzränder mich irgendwie an Deutschland während der WM erinnern, komisch die Assoziation ich weiß. Innen drin ist man wie in einer anderen Welt. Händler preisen brüllend ihre Waren an, Hunde und Katzen schlafen und streunen wie es ihnen passt durch die engen Gänge, alle Ladenabteile sind durch Gitter verschlossen. Der Markt hat eben geöffnet, noch ist also kaum was los. Das Marktgebäude ist wie ein Kolosseum, hoch, rund und laut. Eine Kombination aus Ziegel und Stahlkonstruktion, die an den Eiffelturm erinnert, kein Wunder der gute Gustav Eiffel hat ja auch hier so einiges (neben Marktplätzen)  gebaut bevor er Paris eine Sehenswürdigkeit verpasst hat. Im oberen Stockwerk des Marktplatzgebäudes finden sich kleine Imbissbuden und Restaurants, es ist schön da oben man hört den Markt und sieht ihn während man seine Köstlichkeiten (sofern es der Magen erlaubt) essen kann. Vor dem Haus ist auf der Hauptstraße ein Straßenmarkt. Wir gehen durch und biegen irgendwann nach links ab zu einem der Hügel. Hier zeigt Valpo seinen wahren optischen Schatz: die vielen kleinen bunten Häuser. Ein Traum in Wellblech! Wirklich wahr. Das soll nicht geringschätzig wirken. Valpo ist eine einziges Postkartenmotiv, wo man hinschaut die Ästhetik des Niedergangs. Das Wellblech ist an sich schon sehenswert, aber oft ist es hier auch noch etwas heruntergekommen und verwahrlost, ohne zu ärmlich oder gar ernsthaft hässlich zu wirken. Ein ganz eigener Stil, der durch das Spiel der bunten Farben bzw. deren fehlen zum Leben erwacht. Man kann sich nicht genug sehen an dieser Stadt. Wo man hinsieht ist sie anders, niemals gleich. Eine echte Augenweide, die ich nicht zu beschreiben vermag, leider.

Um die Hänge hoch zu kommen haben die Bewohner schon früh Aufzüge gebaut, die am Kamm entlang nach oben bzw. unten fahren. Für ca. 100 Peso fährt man mit. Wir nehmen den einzigen unterirdischen Aufzug der Stadt. Er ist in einen ehemaligen Stollen untergebracht. der Blick von oben spottet jeder Beschreibung. Ein Meer aus bunten Häusern, eins aus Pazifik und eines aus Wellblech. Wieder läuft der Foto heiß. Aber warum Wellblech überall? Als der Kupferexport Chiles via Valparaíso Hochkonjunktur hatte, brachten die Schiffe billiges Wellblech als Ballaststoffe mit nach Valpo, welches hier entladen wurde bevor die Schiffe voll mit Kupfer die Heimreise antraten. Daher also Valpos Reichtum an Wellblech. Überall billig verfügbar wurde es zum einfachen Baumittel ebenso einfacher Leute. Die Reichen bauten weiterhin mit Steinen. Heute ist vom Glanze Valparaísos nicht mehr so viel vorhanden. Der Panamakanal und die Diktatur machten der Stadt und seinen Einwohnern schwer zu schaffen. Heute erholt sie sich sichtlich. Wo man früher nur die übrige Schiffsfarbe an die gammligen Wellblechwände geschmiert hat, verkünstelt man sich heute mit Absicht. So kamen und kommen Farbkombinationen zustande die man so im Kunstunterricht nicht als Komplementärkombinationen gelernt hat, besonders zumal sich hier die Nachbarn nie abzusprechen scheinen. Aber genau das macht den Reiz der Stadt aus. Und genau so wird die untypischste Stadt Chiles doch zu einer unverwechselbar chilenischen Kulturmanifestation: der (hoffentlich noch nicht allzusehr überstrapazierte Begriff) Gegensatz ist der Schlüssel. Während sich in Santiago und überall sonst Arm und Reich nach Vierteln trennen, leben sie hier noch relativ gemeinsam nebeneinander (eine grobe Aufteilung nach Hügeln ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, jedoch bei Weitem nicht so extrem wie anderswo). Hier hat man renovierte neben verkommenen Häusern, Wellblech neben Stein. Giftgrün neben Grau oder Lila. Egal wo man hinkommt, immer das gleiche Prinzip, aber immer andere Wirkung mit dem Ergebnis, dass man sich nie traut die Kamera wegzustecken und wenn man mit dem Minibus die engen Strassen entlang schießt, fühlt man sich wie im Traum. Immer glaubt man etwas Wundervolles gesehen zu haben, das im nächsten Moment noch schöner wird, dann aber genauso schnell verschwindet wie es aufgetaucht ist nur um vom nächsten Wunderbaren gefolgt zu werden und am Ende der Fahrt steigt man aus wie man morgens aufsteht: Man wundert sich, hab ich das eben wirklich gesehen? War das echt? Wie war es überhaupt? Und schon hat man es vergessen, weil man zwischen zwei bunten Häusern den Hafen und das Meer sieht, die Kamera raus zieht und nach dem perfekten Winkel für das nächste Foto sucht. Ihr glaubt gar nicht welch geniale Sachen ich gesehen hab, ich tu‘ es ja selbst nicht und mit Fotos beweisen kann ich es leider nicht, weil ich im Entscheidenden Moment zu langsam war. Oder war es Traum?

Egal, Paolo Neruda jedenfalls war sich Valparaísos magischer Musenwirkung absolut bewusst, weshalb der Schriftsteller bereits lange vor dem Gewinn des Nobelpreises eines seiner drei Häuser hier baute. Beste Sicht der ganzen Stadt. Unbeschreiblich! Aber auch das Haus selbst ist ein Leckerbissen der Architektur. Neruda liebte Schiffe und das Meer, obwohl er selbst nie gerne mit dem Schiff fuhr. Sein Haus „La Sebastiana“ ließ er daher bauten wie ein Schiff. Vierstöckig, mit sehr engen Gängen, in denen man zu unweigerlich wanken beginnt, ohne dass die Erde bebt. Der Schiffscharakter ist definitiv spürbar. Und immer kleine Ticks, wie eine Treppe die um die Kurve an die Wand führt oder ein Waschbecken, das nie einen Wasseranschluss hatte. Mit jedem Stock wird die Aussicht über Stadt und Hafen auf die tiefblauen Weiten des Pazifik immer noch genialer und atemberaubender. Dazu nie zu enden scheinende Details wie ein goldenes Heiligenbild neben einem goldenen Szene asiatischer Bauern. Kitsch, klar, aber die beiden hängen nebeneinander als seien sie vom selben Künstler! Gleiche Masse, gleiche Farbe, gleicher Stil – aber fundamental andere Kultur!

Schwer beeindruckt verlassen wir Nerudas Heim und nehmen einen Ascensor (die typischen Seilbahnen) runter von diesem Hügel. Immer noch die gleiche Konstruktion und ein und dasselbe Material von 1910 wohlgemerkt!!! Unten angekommen geht es vorbei an kleinen Krimskramsläden durch geschäftige Straßen zu einer engen, unsicher aussehenden Gasse. Am Ende der von Graffitis übersäten Häuserschlucht erwartet uns ein ehemaliger Militärclub. Zu Pinochets Zeiten nur von den obersten Militärs besucht hat sich das Lokal in den letzten 10 Jahren um 180 Grad gedreht. Der kitschige Pomp von früher steht noch immer in mit Edding verschmierten Vitrinen, die Farbe an der Wand unter den Schmierereien und zahllosen Zetteln kaum noch zu erkennen. Der Laden ist randvoll mit Leuten. Ein unheimlicher Lärm. Man kommt kaum durch die Reihen, denn wo Platz ist, steht ein Tisch oder zumindest ein Stuhl. Das Restaurant ist immer so voll, von Öffnung bis Zapfenstreich! Die Leute warten auch gern stundenlang auf einen Platz. Am Essen kann das kaum liegen, denn es gibt nur ein Gericht (Fleisch auf Pommes mit Zwiebeln und Chilisoße) und das eben nur in verschiedenen Größen. Es ist das absolut unvergleichliche Flair. Ich sage das mit voller Überzeugung: Ich weiß sicher, dass ich noch nie in meinem Leben in so einem atemberaubenden, die Sinne überflutenden Lokal war und ich bin mir 100%ig sicher, dass ich so etwas NIE wieder erleben werde!!! Absolut unbeschreiblich, mir fehlen auch fast eine Woche nachher noch die Worte. Ehrlich. Man muss es gesehen haben und man muss es vor allem gehört haben. Wie aus dem nichts taucht plötzlich ein alter Mann mit Baskenmütze und Gitarre auf und begleitet seine Folkloregesänge, allesamt Liebeslieder auf Valpo oder Chile. Das verzückt die Einen und lässt die Anderen kalt, wie man es eben zu seinem Essen gerne hat. Ein Wahnsinn, so cool, dass ich leider nur ein Bild machen konnte. Manche Sachen sind eben zu überwältigend um noch Bilder zu machen.

Man kann sich in Valparaíso nie so ganz sicher sein was gerade abgeht. So etwa als ob man beim morgendlichen Weg zum Kühlschrank versehentlich mit dem einen Fuß in ein alternatives Universum getreten ist. So fahren hier Stadtbusse aus den 1940ern und früher! Wer innen genau schaut, erkennt auch noch alte Hinweistafeln in Deutsch oder Französisch, Englisch oder sonstwas, das kommt immer auf den Bus und dessen Herkunft an. In Valpo hat man nämlich seinerzeit alle Restbestände aus sämtlichen europäischen Metropolen aufgekauft und durch die Diktatur gebracht. Musste man auch, weil das Geld knapp war. Heute ist wieder etwas Geld da und weil man hier sehr Umweltbewusst ist, hat man alle Busse inzwischen mit Elektroantrieb nachgerüstet! So fahren diese Schiffe noch heute, wie Straßenbahnen am Netz, durch die Stadt. Was erzählen hier bloß die Opas ihren Enkeln? „Früher sind wir noch mit ganz anderen Bussen gefahren“ jedenfalls nicht! 🙂

Durch malerische Viertel/Hügel geht es weiter, vorbei an der ehemaligen Deutschen Schule (nach einem Erdbeben nur noch als Ballsaal nutzbar), englischen und deutschen protestantischen Kirchen (die englische ist älter und durfte deshalb keinen Turm haben, damit sie nicht so auffällt im katholischen Chile! Minarettdiskussionen in Deutschland lassen grüßen) und allerhand Cafés. Man fühlt sich wie am Mittelmeer! Valpo ist was das angeht eh ein einzigartiger Hybrid: Hier leben Engländer, Deutsche, Franzosen, Holländer und Italiener (in dieser Reihenfolge der Menge) nebeneinander und das schon seit über hundert Jahren!!! Ein früher Prototyp der EU möchte man meinen. Funktionierte auch sehr gut, wenn man heftigste Spitzelaffären während der Weltkriege mal außen vor lässt. So geht man am Casa Heidi die Calle Schmidt entlang, biegt ab in die Calle Brighton dort ist das Menoiré Atkinson an der Ecke Brighton/Hochstetter. Mal eine etwas andere und, wie ich finde, sympathischere Art des Globalen Dorfs als McDonalds & Co.

Zu Guter letzt haben wir dann noch eine Bootsrundfahrt durch den Hafen gemacht. Allein das Aushandeln mit welchem Boot man fährt ist die Anstrengung wert. Hier wird gebrüllt, gezerrt und abgedrängt. Auf dem Festland sieht es ähnlich aus. Aber der Blick fasst den Tag noch einmal eindrucksvoll zusammen. Die satten Farben der Stadt in vollen Umfang vom Meer aus, zwischen Seelöwen und Marinekreuzern (den Holländern abgekauft und modernisiert, die Seelöwen sind einfach so da!). Völlig ermüdet und mit schlaffen Beinen geht es zurück zur Metro. Was für ein Tag! Kann es kaum erwarten mal wieder nach Valpo zu fahren…

Im Frühtau zu Berge

Sonntag, Februar 24th, 2008

Man spricht Deutsch im Ferienheim der Deutschen Schule. Ich sitze im großen grünen Park in meiner Badehose und lasse mir die letzten Sonnenstrahlen auf den Bauch scheinen. Neben mir der Pool, in dem ich gerade schwimmen war. Zwischen Palmen und Nadelbäumen, chilenischem Burger und Bier lässt es sich gut leben! Vereinzelt hört man Deutsch, die Bedienung kann nur Spanisch. Ein Bild wie es in Europa genauso zu erleben ist, nur was ich vorher gesehen habe, kann man in Europa nicht so leicht sehen! Früh morgens ging es los, in Kerschers Auto in Richtung Limache. Die gut ausgebaute Autobahn entlang eines Tal, rechts und links abwechselnd Obst- und Weingüter. Nach ca. 20 Minuten erreichen wir Viña del Mars Hausberg „La Campana“ (dt. „Die Glocke“). Vom Campingplatz am Fuße der Campana gehen wir los, durch einen dichten Wald den steilen Weg hinauf. Der windet sich vorbei an Schluchten, Kakteen, staubigen Abschnitten und schroffen Geröll. Nach zwei Stunden wird der Bewuchs immer spärlicher und brauner. Stark schwitzend schleppen wir uns weiter, noch 45 Minuten bis zur ehemaligen Mine. Weiter geht’s, der Weg wird nicht weniger steil. An der Mine gibt es eine längere Pause. Irgendwie schon gut zu wissen, dass wir den Weg selbst hochgegangen sind! Neben uns holt eine chilenische Familie Getränke und Essen aus ihrem Pickup, schon schwer so im Freien, ohne Klimaanlage. Deren Papa ist immerhin selbst hier hochgefahren auf der Schotterstraße auf der anderen Talseite. Wird dauern bis er das Auto morgen wieder poliert hat (ich hoffe die Ironie ist dick genug!). Die andere Familie bei der Mine ist wenigstens hoch geritten, sehen aber trotzdem entspannter aus als die Pferde. Der Ausblick beeindruckt aber alle, ob verdient oder nicht. Bernhard und Katherina haben genug und gehen zurück. Jakob und ich wollen mindestens noch hoch zur Darwinplakete, vielleicht sogar zum Gipfel. Die Jugend halt. Auf geht’s wieder einmal. Gestrüpp, Staub und Schweiß. 45 Minuten später stehen wir vor der mickrigen Plakette und lachen sie aus. Chile war nie ein wirklich reiches Land und wer würde hier herauf auch etwas größeres als diese lahme Tafel tragen. Also auf zum Gipfel! Jetzt wird’s wild! Der Weg ist im Schotterfeld kaum noch auszumachen. Steine lösen sich leicht. Außerdem sind wir aus dem Schatten der Campana, was soviel heißt wie: „Scheiße, dagegen war’s ja vorhin ernsthaft kalt!“ Meine Hose klebt bei jedem Schritt im selbigen und an den Beinen. Ich verfluche mein Kurzzeitgedächtnis, weil ich meine Bergsocken in Augsburg liegen habe. Das Schotterfeld ist endlich überwunden und wir haben nun das letzte steile Stück vor uns. Steiler als alles zuvor. ast wie ein Klettersteig, nur ohne Hilfen. Der Schweiß rinnt mir nun vom Rücken direkt in die Socken. Eine Erfahrung die Familie Neureich-Gonzalez niemals machen wird solange die Klimaanlage funktioniert. So rede ich mir die Lage schön bis ich über die immer raueren Felsen die ersten verschneiten Andengipfel am Horizont erkenne! Der Rest ist wie im Rausch. Die Füße werden leichter und sie tragen mich locker die letzten Meter hoch zum Gipfel. Der Anblick ist gigantisch!!! Das Meer auf der einen, die Anden auf der anderen Seite. Die chilenische Flagge weht leicht im Wind, während über mir ein Kondor majestätisch seine Runden dreht. Zufrieden sitze ich da und schaue um mich. Jakob macht es ähnlich. Eine Tour für meinen Exkursionsführer habe ich. Auch die Zulassungsarbeit scheint hier leicht, als trotze sie der Schwerkraft wie der Kondor, der Richtung Anden verschwindet. Ein schöner Vorgeschmack auf die Anden um Temuco. Auch ein schöner Vorgeschmack auf den Pazifik, der ebenfalls zum greifen nahe scheint. Chiles schlanke Figur, so übersichtlich, aber trotzdem unmöglich auf ein Bild zu bannen. So bleibt mir nur die Erinnerung an die unglaubliche Nähe der beiden Extreme, die man in diesem Moment spürt. So geht es dann wieder bergab. Unten warten die Kerschers mit Wasser und einem besonderen Schmankerl. Es geht ins Ferienheim der Deutschen Schule! Ahhh, ein Pool, Essen und die letzten Sonnenstrahlen eines tollen Tags. Ein perfekter Abschluss, meinen auch meine Füsse!

Es ist viel passiert…

Samstag, Februar 23rd, 2008

Im Hostel hab ich eine sehr schlechte Internetverbindung, weshalb meine Einträge immer ein paar Tage hinterherhinken. Ich werde mal versuchen etwas auszuholen: (in keinster Weise „poetisch“, sorry 🙁 )

Mein Sprachkurs in Santiago ist seit Freitag vorbei und ich bin auch gar nicht mehr in Santiago. Ich habe das gastliche Atacama Hostel verlassen (Sebastian, der zurzeit im streikenden Peru sitzt, wird es ja noch kennen lernen und seine lahme Internet Verbindung fürchten lernen! 🙂 ). Mit dem Bus ging es am Freitag Nachmittag nach Viña del Mar. Echt locker: 2 Stunden Fahrt im klimatisierten Bus für 4000 Pesos (ca. 6€). Das soll ihnen die Bahn erstmal nachmachen!!! Und jetzt kommt’s: ALLE 10 MINUTEN GEHT EINER!!! DAS soll ihnen die Bahn erstmal nachmachen! Und weil die Firma Turbus mit der Zeit geht, gibt es auch eine Anzeige vorne im Gang, auf der der interessierte Fahrgast sich über Reisegeschwindigkeit, Name und Fahrzeit des Fahrers, sowie gelegentlich Position des Busses informieren. Dieser Service ist in meinen Augen wie ein Fußkettchen, schön anzuschauen, aber doch irgendwie nutzlos, weil man eh kaum was daran ändern könnte! Er fährt nun mal wie er mag und wie lange er mag, und würde man ihn auf zu lange Fahrzeiten hinweisen wären alle im Bus sicherlich gar nicht dankbar, denn man will ja auch mal ankommen. Aber trotzdem: Schön anzuschauen ist’s allemal!

Hier in Viña habe ich Unterschlupf bei den Kerschers gefunden, bei meinem ehemaligen LK-Lehrer. Grandios! Aber dazu später…

Arbeit im Mokka

Samstag, Februar 23rd, 2008

Ich war letztens mit Gustavo in einem sehr edlem Stadtteil von Santiago. Dort in Vitacura gibt es ein riesiges nobles Einkaufszentrum und dort wiederum ein Café.

Ich verlange ab jetzt nicht mehr im Augsburger Mokka sondern nur noch HIER eingeteilt zu werden!!! 😉mokka.jpg

Verhaltensweisen

Mittwoch, Februar 20th, 2008

Erstmal danke für eure zahlreichen und äußerst positiven Kommentare!!! Lob geht hier runter wie Butter! Und ich komme mir nicht gar so blöd vor wenn ich das hier alles schreibe. Der Eintrag zu den Frauen kommt noch! Ich war ja erst in Santiago, es wäre also verfrüht jetzt schon mit der Meinungsbildung zu beginnen, denn Herr Nietbaur Jun. hat mal gesagt „je grösser die Stadt, desto hübscher die Frauen“, mir fehlt also noch der Vergleich!!! Virtueller Euro ins virtuelle Phrasenschwein: „Chile lebt ja bekanntlich von seinen Gegensätzen!“

Aber mal ernsthaft, hab auch schon öfters nachgedacht was zu schreiben, aber dazu muss man in Stimmung sein!

Jetzt aber mal zur Überschrift: Mir ist heute aufgefallen, dass ich erste chilenische Verhaltensweisen angenommen habe und so etwas weniger Touri hier bin. So steige ich in die Metro und finde ohne zu schauen den richtigen Bahnsteig und in der Bahn selbst kann man nun genauso (nach außen hin gelangweilt) den Mädls hinterherschauen wie es Einheimische machen und trotzdem an der richtigen Halte aussteigen (ohne Plan schauen!!! 🙂 Hierzu ist zu bemerken, dass dies durchaus eine Leistung ist, da in Santiago die Fahrpläne maximal in der Bahn selbst stehen! Die Pläne der Linien abseits der vornehmen 1 sind da deutlich schlechter unter den Graffitis zu entziffern!!!). Allgemein schaut man hier mehr und offensiver nach und das zurecht. Darüber hinaus fährt man jetzt auch gern mal schwarz und geht bei rot über die Ampel, ob Autos kommen oder nicht! Nur wenn Busse Taxis oder viele Autos kommen beeindruckt das noch so, dass man stehen bleibt. Etwas was ich an Dennis, aus heute mir nun unverständlichen Gründen kritisiert habe, als er aus Bari zurückgekommen ist. Ich suche mir Gringos (weiße) aus der Menge aus und lästere innerlich über sie ab. Was mir zur Zeit besonders viel Spaß macht. Das mag daran liegen, dass ich gestern mit zwei englischen Mädls Party gemacht hab und gemerkt hab wie unglaublich unangepasst sie sich aufführen. Aber egal. Irgendwie hätte ich gerne Lederschuhe um sie mir am Straßenrand polieren zu lassen… hmmm… und alles das, obwohl ich noch nicht mal genug Spanisch kann um mich am Getränkestand in der Stadt nicht bescheißen zu lassen! 🙁

Aber dafür bin ich ja jetzt in der Sprachschule Bellavista, hat mir Bianca (schöner Gruß nach Mexiko! Falls du es liest) empfohlen. Habt ihr schon mal einen US-Amerikaner Spanisch reden gehört? Oh Mann, also typisch… Sorry, das war Tomás, er ist Chilene, ich hab ihn in der Metro gefunden! 😀

Die dunkle Seite…

Dienstag, Februar 19th, 2008

Wie im letzten Beitrag beschrieben, lebt Chile von seinen Gegensätzen. Nun mal zur weniger schönen Seite hier. Während ich mit Gustavo, einem unglaublich netten Anwalt den ich über Michael Peller kennen gelernt habe und der mir die Herberge empfohlen hat und mir viele wirklich hilfreiche Tipps gegeben hat (dieser lange Satz ist Deutsch für „vielen, vielen Dank! Hast was gut!“ 🙂 ), die schönen Seiten Santiagos sehen durfte, hat mir Gorki, ein in Schweden lebender chilenischer Schauspieler und Filmemacher den ich im Flugzeug kennen gelernt hab (auch dieser Satz impliziert selbiges wie der vorherige, toll die deutsche Sprache, oder?), die Schattenseiten gezeigt. Bitte entschuldigt den langen Satz, ich würde die beiden gerne mehr würdigen für alles was sie für mich getan haben, aber ich will euch auch nicht langweilen und deshalb erschien mir diese deutsche Spezialität eines komplexen Satzes angebracht! 😉

Ich könnte jetzt wieder in der Innenstadt anfangen, wo Straßenkünstler, wie Clowns und Maler, neben Überlebenskünstlern, wie Schuhputzern und Bettlern mit beiden Beinen amputiert, um die Aufmerksamkeit der zahlreichen wohlhabenden Passanten ringen. Aber ich fange bei den „echten Chilenen“ an, wie es Gorki sagte. Er hat mich zu seinem Vater eingeladen, bei dem er während seinem Besuch unterkommt. Mit der Metro geht es nicht die bequeme Ost-West-Linie 1 entlang, sondern die Nummer 2 in den Süden. Von Station zu Station wird es ärmer, das sieht man den Leuten und den Häusern an. Von der Haltestelle „Ciudad del Niño“ sind es rund 10 Minuten durch ein Wohnviertel in dem kaputte Gehsteige und hohe Mauern und Zäune die Schlaglöcher und Risse der „Straße“ säumen. Hier wohnen noch Leute mit Geld, bitte nicht falsch verstehen! Deshalb ja auch die Mauern und Zäune bis zum 1. Stock hoch. Die Nachbarschaft ist NICHT schlimm!!! Eher normal hier sagt Gorki. Nummer 1613 hat eine besprayte löchrige Mauer, die Hausnummer ist mit Bleistift in den Putz geritzt, Klingel gibt es keine. Gorkis Vater öffnet mir die Tür, er freut sich unter seinem dicken grauen Bart sichtlich, rückt sich die Hornbrille zurecht, sehr vorsichtig weil sie nur noch einen Bügel hat, und bittet mich mit förmlichen Gesten herein in den kleinen, von allen Seiten zugewachsenen Vorgarten. Der strahlende Sonnenschein wird von den vielen dicken Blättern verschlungen und es ist plötzlich wie in Augsburg im Herbst, nur sehr, sehr warm! Ein verrosteter Wagen aus den 1950ern steht vorm Haus, er steht da schon länger als die Bäume zwischen ihm und der Mauer und er wird da auch noch stehen bis Bäume und Mauer wieder weg sind, wenn ihr versteht was ich meine. Im Haus geht es durch das Wohnzimmer, vorbei am Schlafzimmer in die Küche. Gorkis sagt sein Vater baue dieses Haus seit 50 Jahren, es sagt das weil ich meine Überraschung über die fehlende vierte Wand in der Küche nicht so gut verstecken konnte wie höflich gewesen wäre. Während Gorkis Vater Wasser aus einer Flasche auf den Betonboden schüttet um den Staub aus der Luft zu halten, sagt mir Gorki wo es gleich hingeht. Kurz darauf hält mir Gorkis Vater wie ein Bediensteter im Sterne-Hotel die Autotür auf – habe ich schon erwähnt, dass Chile ein Land krasser Gegensätze ist? Wollte es nur noch einmal gesagt haben. Die Fahrt geht durch die Nachbarschaft in noch ärmere Viertel. Gorki versichert mir, das ist alles sicher, in die schlimmen Ecken würde auch er nicht fahren. Was ich sehe ist schon ungewohnt als Deutscher. Strassen kaum mehr unter Staub und Rissen zu erkennen. Gehweg gleich Mülltonne. Häuser zunehmend aus Holz zusammengetragen. Wir gehen durch einen inoffiziellen Markt mitten auf der Strasse. Hier wird verkauft was man hat um sich sein Leben zu finanzieren oder um sich ein Zubrot zu verdienen. Hier kauft wer sich einen Supermarkt nicht leisten kann. Verkauft wird alles: gebrauchte Kleidung, vieles noch aus den 70ern, Kassetten, Schlösser, Türklinken, Waschbecken. Alles was irgendjemanden fehlt – und ich meine damit nicht die Käufer!!! Gorki kauft auch ein, nicht weil er muss, sondern weil er sparen will. Gorkis Vater kauft Holzlatten, weil er sparen muss. Er wird sie kaum verbauen, er ist schon sehr alt. Danach geht’s auf den Gemüsemarkt, auf dem alle Klischees erfüllt werden, vom Schreihals zu den Hühnern in den Käfigen. Nach ein paar Stunden geht es wieder heim, Bilder habe ich keine gemacht, es wäre nicht angebracht gewesen. Muss man eh selbst sehen. Abendessen gibt’s bei Gorkis Vater, Gorki kocht. In Chile kochen Männer aus seines Vaters Generation nicht, die Würde verbietet das überkommen dieser Schwäche. Es gibt Thunfischtortilla, sehr lecker, danach Kaktusfrucht (hatte gestern Abend meinen letzten Durchfall, das Essen war am Samstag). Gorkis Vater ist im Paradies, sein Sohn und ein Gast aus Europa, in seinem Haus! Dazu noch jemand der den Mapuche Englisch beibringen soll. Er ist Mitglied in einer Organisation die den Mapuche helfen will. Abends gibt es noch eine Dokumentation über die Unterdrückung der Mapuche, von 2004. Höchst interessant! Das wahre Abenteuer kommt noch sei hiermit gesagt! Als ich heimfahre, empfinde ich das Viertel als weniger Arm, als weniger gefährlich, denn wer weiß was noch kommt… Gorkis Vater vielleicht, er kennt die dunkle Seite. Die Tage werde ich ihn nochmal besuchen. Freu mich schon auf seine Freude!

Gleich noch schnell ein Nachtrag:

Ich bin doch tatsächlich Zeuge geworden wie zwei Chilenen einer Frau und ihrem Mann hier im feinen Providencia vom Rad „helfen“ wollten. Schon krass: Ein Schrei, die Frau fällt, die Passanten prügeln auf den Dieb ein, er flüchtet auf die Straße, sein Komplize die Straße entlang. Dann sind sie weg, die Räder Gott sei Dank nicht. Die Leute auf der anderen Straßenseite schauen noch etwas entgeistert, unter ihnen kann man auch mich finden (wenn man genau hinschaut! 😉 ). Jetzt weiß ich aber auch warum an jeder zweiten Straßenkreuzung ein Pärchen mit gelber Reflektorjacke steht. Das sind die, die aufpassen sollen, dass nichts passiert und dann im Ernstfall einen Tick zu spät dran sind. Die Anzeige gegen einen unbekannten Chileno der ausgesehen hat wie alle Gaffer hier (außer mir! 🙂 ) können sie aber gerne noch aufnehmen. Den fahlen Nachgeschmack der Angst wäscht das aber nicht aus.

Die bessere Hälfte

Montag, Februar 18th, 2008

Es fällt mir schwer zu sagen was ich hier so mache, weil es glaube ich das ist was jeder machen würde: Man schaut sich um. Ich habe mir verschiedene Viertel angeschaut, angefangen in Providencia, dem Stadtteil in dem meine Herberge ist, einfach weil ich ins Stadtzentrum wollte und falsch gegangen bin, war aber trotzdem schön. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass es eines der besseren Viertel ist. Hier hat man Geld, da sieht man nicht an den Häusern, das sieht man daran, dass der Fußweg nicht kaputt ist, dass die Metrostationen geputzt werden und daran, dass geparkte Autos nicht kaputt sind sondern geputzt. Schaut man in die andere Richtung, also die Innenstadt (diesmal wirklich 🙂 ), sieht es ganz genauso aus. Langweilig könnte man meinen, sollte man aber nicht! Santiago ist wie viele Hauptstädte Beton- und Glasbaut gewordene Kultur und so Spiegel einer Gesellschaft. Santiago sieht schön aus, da wo es sich zeigt. Wie ein Riegel zieht sich ein schöner, relativ sicherer Streifen zwischen Innenstadt und Las Condes, von Ost nach West, entlang der Metro-Linie 1. Man bleibt hier und sieht eine Metropole wie im Bilderbuch: Aufgeweckt, Hochhäuser, Fußgängerzone, Altbauten, Parks und so weiter und so fort. Aber schon die Straßenmusikanten geben den ersten (ich würde jetzt gerne „leisen“ sagen, aber das wäre sicher eine Beleidigung) hörbaren Hinweis darauf, dass hier mehr am Start ist als einfach nur einige Millionen geschäftig wirkender Leute wie in jeder x-beliebigen Stadt. Wie ganz Chile lebt auch Santiago von Gegensätzen, ob es die Chilenen wahr haben wollen oder nicht! Ein Land, das im Norden mit einer Wüste ein Verhältnis hat und am anderen Ende mit dem Südpol flirtet, während es sich im Westen an den grössten Ozean, den die Erde momentan zu bieten hat, ankuschelt und sich gleichzeitig im Osten von den Anden umarmt wird, kann sich kaum gegen das Image der Gegensätze wehren und leider auch nicht gegen den Vorwurf einer gewissen Doppelmoral. Santiago zeigt sich weltoffen, schön und einheitlich, was es auch ist – nur eben nicht überall! So spielt eine Gruppe Straßenmusikanten auf ihren Streichinstrumenten Wiener Walzer! Eine Straße weiter verzücken indianische Klänge (ich meine die echten, nicht die Kacke aus deutschen Innenstädten, damit der Gegensatz klarer wird!!!) das Ohr des Passanten. Wenn dann noch eine Straße weiter einer anfängt Rammstein zu pfeifen bevor er sein Saxophon zur Lippe nimmt, zieht man endgültig die Augenbraue hoch und fragt sich wo man denn jetzt überhaupt ist. Man ist dann in Chile, wo die Einwohner nur zu bescheiden sind um sich um eine Aufnahme in die EU zu bemühen. Kulturell fühlen sie sich schon längt zugehörig, keine Frage. Kaffee und Kuchen wie in Deutschland sind selbstverständlich, genau wie der englische Fünfuhrtee. Und Leute, jetzt mal ernsthaft: Wer einmal am Castaño (der örtlichen Bäckereikette) vorbeigegangen ist und den Duft frischer Backwaren in die Nase bekommen hat und die Torten und Krapfen gesehen hat, wird wie ich nur über den kläglichen Geruch frischer Brezen bei Müller und Ihle/Wolf milde lächeln können!!! Ihr wisst gar nicht mehr was Bäckerduft ist, ehrlich! Das ist aber noch nicht alles: Santa Isabela (keine Vollbusige, braungebrannte Latina, sondern ein Supermarkt! 🙂 ) hat Fleisch und Wurst fast wie im gut sortierten deutschen Supermarkt (das ist nicht Aldi, gell). Man fühlt sich also schnell wohl als Deutscher, aber es gibt noch mehr. Chile hat auch andere Seiten, doch dazu ein anderes Mal!

Hinter den Bergen…

Freitag, Februar 15th, 2008

… bei den 6 Millionen Chilenen in Santiago.

Habe in der Jugendherberge kein USB, deshalb gibt es noch keine Bilder, aber das wird schon noch! Solange müsst ihr eure Fantasie anstrengen:

Vom Zimmer geht es rechts die knarzende Holztreppe runter, durch den dunklen Gang hin zum schweren Holztor. Nun stehst du draußen vor der Jugendherberge. Du drehst dich nach rechts und gehst die kleine Allee entlang. Vorbei an alten Häusern mit kleinen Vorgärten, vor denen Autos geparkt sind, mal teuer und groß, mal eher alt und spartanisch. Du wirfst einen Blick in den Kleinen Bücherladen, der alte Geschichtswälzer zu billigen Preisen anbietet, aber wieder einmal keine Kunden hat. Daneben der Waschsalon – wegen Ferien geschlossen. An der Ampel angekommen siehst du ein schäbiges Hochhaus auf der gegenüberliegenden Seite, diese Bausünde der 1970er wirft seinen Schatten auf dich, noch ist es nicht allzu warm, es wird wohl auch noch nicht mal 10:00 Uhr sein. an der Ampel geht du links der Avenida Providenca entlang, der Hauptverkehrsader. Mit der Ruhe ist es vorbei. Autos beschleunigen laut, bremsen ab, hupen. Busse passieren dich in nächster Nähe, so schnell, dass du sie nicht kommen siehst. Plötzlich sind da Menschen. Es werden mehr mit jedem Schritt. Steigen aus. Steigen ein. Telefonieren lautstark. Du richtest den Blick weg vom Gehsteig und blickst um dich, gehst aber doch stetig weiter Richtung Innenstadt. Rechts der Parque Balmeceda, so früh ist er noch leer, doch der Springbrunnen ist schon durch die Bäume auf der anderen Seite zu sehen. Die Hochhäuser werden weniger schäbig. Neben dir der Verkehr. Es scheint als ergäbe der Lärm eine Melodie die du nicht kennst. Motorengeräusche, Hupen, und Sirenen spielen für alle hier, du hörst ihnen zu. In Gedanken versunken gehst du weiter, der Herr mit dem Maschinengewehr neben den Militärpolizeiwagen mustert dich, du nimmst ihn kaum wahr. Einen Block später, ein Denkmal, ein verfallenes Stadion. Eine Gruppe Rekruten der Militärpolizei posieren für ein Bild vor dem Denkmal, ihre Kollegen machen sich ein Bild der Sicherheitslage. Du gehst daran vorbei. Ihre grünen Uniformen erinnern dich an zuhause, aber doch anders. Einige Blocks später kommst du am Torre Mirador vorbei. Dieses Glanzstück des alten Santiago lässt dich weiter träumen. Kurz darauf bist du in der Innenstadt. Autos und Fußgänger sind nun gleichberechtigt an den Kreuzungen der Einkaufsstraßen. Das Lied ändert sich und wird organischer. Du erkennst die Melodien der Flötenspieler, die Improvisationen der Saxophonisten und das Streichen der Geigen in den Strassen, untermalt vom Klang der vielen Stimmen, doch keiner singt. Du gehst weiter zum Plaza de Armas, dort bekommt das Auge seinen Teil. Die Sonne wärmt deine Haut nun richtig, vorbei die kühlen Briesen in den Strassen. Du blickst einmal um den Hauptplatz. Du siehst die Straßenkünstler, Maler, Verkäufer, Bettler, Versehrte und Schuhputzer. Die Blätter der Palmen bewegen sich leicht im Windhauch. Die Sonne brennt auf deiner Haut, es ist Sommer. Du siehst dich weiter um in den Gassen. Nach einiger Zeit gehst du zurück zur Jugendherberge, den gleichen Weg wie zuvor. Die Haut warm, der Schweiß glitzert im Schein der Sonne. Motorengeräusche, Hupen, und Sirenen spielen für alle hier, du hörst ihnen zu. Doch nun erkennst du ihr Lied. Es vibriert in dir nach, du bist ein Teil davon, auf der Avenida Providenca, bis du rechts abbiegst. Du bist wieder da. Die knarzende Treppe hoch oder zum PC? Du siehst ja selbst…

Über den Wolken…

Mittwoch, Februar 13th, 2008

Man kann ja nie spät genug zum Flughafen losfahren. So warft sich ein dunkler Schatten über meine Abfahrt, der so einiges erahnen ließ. So war dann nicht nur der Zug sonder auch der Flieger zu spät dran, wie ich verheult hinterm Check-in feststellen musste. Vive la (Air) France! 30 Minuten, gut dass ich 1,5 Stunden in Paris Zeit hab. Denkste! In Paris angekommen hat der Pilot noch eine halbe Stunde drauf gelegt, warum auch nicht, so hat man mehr fürs Geld. Danke vielmals! Naja, Gott sei Dank musste ich nur ans andere Ende und nochmal durch die Passkontrolle, an der eine z’wiederne Nudel neben der anderen sitzt, zwei für internationale Pässe und eine für EU-Bürger. Klar, die internationalen werden durch gewunken und die EU-Bürger werden kontrolliert. Warum auch nicht? Es ist ja auch ein Flieger mit gefährlichen Deutschen angekommen. Danke nochmals. Ich weiß schon wen ich in der EU mag und wen nicht und die Insel ist auch links vom Rhein (mal gänzlich ungeographisch) und somit sehe ich da kaum Unterschiede!

Wenn man dann aber mal als letzter in der Flieger einsteigt hat man dafür die Sympathie aller auf seiner Seite (die Tastatur lässt nicht mehr Ironie zu, sorry). Ich setze mich dann auf E30, links außen in der Mittelreihe. Cooler Platz, hab Beinfreiheit und ein 3-jähriges chilenisches Mädchen mit Papa neben mir. Die kleine ist harmlos, schaut Zeichentrick und schläft. Hab’s mir schlimmer ausgemalt. Gespannt lausche ich als dann nach ein paar Stunden Flug ihr Papa ihr Kinderbücher vorliest. Ich verstehe was!!! Bin stolz. Später kommt man ins Gespräch. Er ist Chilene, der in Schweden wohnt und jetzt seinen Vater besucht, was er öfter machen würde, hätte er mehr Geld. Man erzählt und er gibt mir Tipps für Santiago, Handy und Ausflüge. Die Kleine streckt indes ihre Füßchen im Schlaf zwischen die Armlehne und meinen Arm, dort scheinen sie wärmer und besser aufgehoben als unter ihrer Decke. In Santiago angekommen bewachen ihr Papa und ich gegenseitig unser Gepäck, danach hilft er mir durch den Zoll und schreibt mir seine Nummer auf und Wegbeschreibung zu ihm auf, falls ich echte Chilenen kennen lernen wolle oder wenn ich mal Probleme haben sollte! Wahnsinn! In Deutschland… ach lassen wir das.

Sein Vater hätte mich auch noch in die Stadt gefahren, aber seine Schwester mit Mann wollten die Kleine auch sehen, drum war kein Platz im Auto. Der Bus war aber billig und schnell. Bin dann gleich mal 4 Haltestellen zu spät ausgestiegen. Bei der Gelegenheit lernt man aber auch Leute kennen und kommt in der Genuss der Metro, einer U-Bahn die nicht auf Schienen sondern mit Autorädern in Spuren fährt. Dann steigt man natürlich in de falsche ein, aber das mach ich im München auch. Endlich an der Halte „Manuel Montt“ angekommen, lauf‘ ich natürlich falsch, auch klar. Aber jetzt bin ich endlich da um dieses Geschwafel mal abzuschließen.

Werde mir jetzt ein Handy besorgen um mit Bernhard und Gorki in Kontakt zu treten. Freu mich wie Sau!!! 🙂

Bin mir der Ortszeit auch nicht so ganz sicher, dass kommt wenn man den Piloten weder auf Englisch noch auf Französisch oder Spanisch versteht! 🙂 Hab also mal geschätzt, meine Uhr sagt jetzt 13:40, was mir die Dame vom Empfang eben über die Schulter bestätigt hat und Domi M. über Skype mit Augsburger Fuggerzeit rückbestätigt hat! Danke hierfür herzlichst!