Archive for April, 2008

Rückkehr!

Samstag, April 26th, 2008

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Es ist amtlich, der Tag meiner Rückkehr ist der 23.05.2008!!!

und die Stunde ist 14:25 Uhr, sofern die Air France es schafft mich pünktlich nach München zu bringen! (ich hoffe auch das Beste für mein Gepäck!!!)

Der Weitere Fahrplan sieht so aus: Praktikum noch bis 02.05.08, am Samstag, den 03.05.08 dann eine fette Abschiedsfeier mit einem ganzen Schwein, das wir am Mittwoch kaufen und schlachten, zu dem ihr alle recht herzlich eingeladen seid!!! Anreise müsst ihr selber zahlen, Übernachtung und Essen übernehme ich für Samstag!

Am 04.05.08 soll es dann nach Santiago gehen, wo ich am 06.05.08 dann den Sebastian treffe. Gemeinsam machen wir dann noch etwas Chile und Argentinien unsicher!

Und ab 23.05.08 wie gesagt dann wieder Deutschland! Wobei das Wochenende noch der Familie gehört, ab Montag dann wieder Augsburg wie gewohnt!!!

Massives Bilderupdate!!!

Dienstag, April 22nd, 2008

Es gibt wieder was auf die Augen!!!!!!!!

– Bilder aus Argentinien (ganz unten, leicht zu übersehen!)

– Markt in Temuco

– Familienbilder unter „Familienalbum“

– Bau der Ruka

– und neue Bilder unter „Escuela Trañi Trañi“

WEITERSAGEN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Die Bilder sind wie immer rechts unter „Links“ (wo sonst?!)

Patagonien mal anders

Sonntag, April 20th, 2008

Letztes Wochenende hab ich mal mein Visum erneuert, was heißt, dass ich mich in einen Bus nach Argentinien gesetzt habe. Patagonien soll ja schön sein, ist es auch! Nur leider habe ich Gehirnathlet meine Bergstiefel in Temuco vergessen!!! 🙁 So hab ich mir halt nur einen Tag in Bariloche gegönnt. Von der sagenhaften Andenüberquerung schwärme ich jetzt mal nicht! Bariloche ist ein typischer Touriort, in dem es nicht allzuviel zu sehen gibt, oder doch? Naja, Schokolade haben sie viel, gut und vor allem billig! Wer denkt so ein Tag in einem  5.000-Seelen-Touristenloch ist langweilig hat aber weit gefehlt. Wer einmal eine stolze Argentinierin aus dem Auto aussteigen hat sehen und beobachtet hat wie sie vor ihrer eigenen Alarmanlage erschrickt und gleichzeitig über den Gehsteig stolpert, kennt die unbezahlbaren Goldstücke des Alltags. Mit solchen offenen Augen bin ich also spazieren gegangen und es war wirklich interessant, vor allem die Kirche. Dort bin ich ohne große Erwartungen rein und war erstaunt: Ein kalter Betonbau aus den 1940ern der gotisch sein will, die Fenster mit bunten Glasbildern, aber nicht das übliche Heiligenhuldigen oder Kreuzweg zeigen! In der Bildergalerie könnt ihr sie selbst sehen, die Fenster, die Missionierung von Mapuchen zeigen, oder die Tötung eines Priesters durch die selben vom Fenster gegenüber. Aber auch einen Ingenieur mit der, anscheinend heiligen, Eisenbahn in Händen oder Politiker gibt es zu sehen! Schön mal etwas Abwechslung in der Kirche zu haben! 😀

Zurück in Chile hab ich in den Kirchen Temucos nachgesehen, aber so aufschlussreiche Bilder habe ich leider nicht mehr gefunden! 🙁

Ach ja: Patagonien ist auch im Bus der Hammer!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Aber ich will niemand neidisch machen.

Mapuchefeier in der Schule

Sonntag, April 20th, 2008

Vor einiger Zeit (ich hatte nur keine Zeit und Lust es zu beschreiben! 🙂 ) hatten wir eine traditionelle Feier in der Schule, so wie das was ich unter „Fleischfest“ nicht beschrieben habe!

Leider ist es um die traditionelle Kleidung des Völkchens nicht gut bestellt. Zum Einen weil die Tracht (auch selbstgemacht), wie auch in Deutschland, teurer ist als ein jedes T-Shirt. Zum Anderen, weil man in den vielen Jahren des Widerstands gegen die Kolonisten schlicht und einfach vergessen hat was man vor deren Ankunft so am Leibe trug. Das kann schon mal passieren in Kulturen, die nicht schreiben oder malen. So ist die Tracht de Männer bis auf den Poncho völlig verloren, wenn man vom Stirnband absieht. Der Strohhut ist zwar heute traditionell, aber ursprünglich Siedlertracht. Gut dass man die Frauen hier immer brav im Haus gehalten hat, denn so hat sich wenigstens ihre Tracht annähernd komplett erhalten. Ein schwarzes Kleid mit weißem oder buntem Schurz oder Rock, dazu ein Umhang in schwarz oder bunt damit man nicht friert und auf dem Kopf ein Kopftuch. Das Kopftuch ist NICHT mit Federn geschmückt (wenn ihr Federn wollt, geht Karl May lesen oder in die USA, dort haben sie sowas) sondern mit bunten Stoffstreifen wenn man was zu sagen hat oder gar nicht wenn man einfach nur Mapuche und/oder arm ist, wobei kleine Äste und Blätter gerne gesehen sind. Um die Tracht abzurunden bekommen die Frauen auch noch Silberschmuck umgehängt der leichte Ähnlichkeit mit einem Kettenhemd hat. Da das ganze wie gesagt kostet und man hier lieber seine Kinder ernährt als Trachten zu kaufen, macht man die Trachten billiger, also aus Billigstoff und Neonfarben, was oftmals grauenhaft aussieht aber besser ist als nichts. Wer sich die Bilder in der Galerie ansieht wird erkennen, dass kaum einer der anwesenden Schüler Tracht trägt. Die, die sich in Schale geworfen haben verdanken dies der Schule! Wird wohl deswegen weniger Wasser gekauft schätze ich mal.

Zu Beginn wird ein Altar aus heimischen Ästen errichtet. Ein einfaches Loch in das die Äste gesteckt werden und dann eingegraben werden. Davor stellt der Machi einen Tisch auf dem die Gaben Platz haben: Maisbrei, Getreide und Chicha, angegorener Apfelsaft. Gegenüber des Altars in etwa 15 m Entfernung wird ein Feuer gemacht und die Trommeln angewärmt. Sporandisch aber immer regelmäßiger werdend ertönt eine Trompete aus Horn, soll wohl die Spannung steigern. Als Alle sitzen beginnt die Zeremonie. Männer sitzen in einer Linie gegenüber den Frauen in den 15 m zwischen Altar und Feuer. Das Feuer im Rücken mit Blick auf den Altar beginnen die Machi rhythmisch zu trommeln und singen dazu ein Lied in Mapudungun. Da der sich Text scheinbar ständig wiederholt entsteht der Eindruck eines konstanten „Wahwahwahs“, was es aber nicht ist!!! Der Text ist teils überliefert, teils improvisiert. Die Machi spielen sich und die Anwesenden in einen meditativen Rausch, oder so sollte es sein wenn das Publikum nicht gerade aus Kindern besteht, denen das zu lange dauert weil sie es nicht verstehen. Danach erhebt sich die ganze Gruppe, stellt sich in Reihen nach Männern und Frauen auf und tippelt in kleinen Schritten zum Takt auf den Altar zu und wieder weg, das ganze sooft der Machi will aber immer zuerst von Osten her und dann von Süden, Westen und Norden. Wir belassen es bei Osten und machen gleich weiter mit der Umrundung des Altars. Das wird gemacht um den ewigen Kreislauf des Lebens und der Welt zu würdigen. Danach wird der Maisbrei gereicht, man nimmt eine Handvoll, isst die Hälfte und wirft die andere Hälfte zu Boden. Das ist keineswegs eine Unkultiviertheit , sondern ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber der Naturweil man ihr ja etwas ab-/zurückgibt. Auch zu trinken soll Mutter Erde haben und darum spuckt man auch etwas Apfelsaft auf den Boden. Klar, das solche Zeremonien in der westlichen Welt als saustallartig gelten, daher wohl auch der Ruf der Mapuche schmutzig zu sein, tja und von einem Wein saufenden Trunkenbold von Priester. Ihr versteht die Vorurteile vielleicht jetzt etwas besser. 😉

Danach tanzt man um den Altar, wenn man Trachten hat. Man tanzt in ruckartigen Schritten mit zum Boden gesenkten Kopf und macht Flügelschläge mit seinem Umhang, was vogelähnlich aussieht und auch sein soll. Dazu der immerwährende Takt der Trommeln mit Glocken und Trompeten. Höchst meditativ, man muss wohl dabei gewesen sein! 🙂

Wasser

Freitag, April 11th, 2008

Wir haben immer noch kein Wasser in der Schule, aber siehe da, ein großer blauer Wasserturm wurde neben der Schule errichtet! Der soll nicht nur die Schule sondern auch die angrenzenden Nachbarn mit dem kostbaren Lebenselixier versorgen. Bis er allerdings funktioniert, haben wir Wasser in weißen Behältern rumstehen. Das ist öfters mal aus oder muss gechlort werden, weil es schmutzig ist. „Wozu braucht man denn zum Unterrichten Wasser?“ ist eine berechtigte Frage. Ich brauch‘ für meinen Englisch und Mathematikunterricht kein Wasser, aber die Köchinnen zum Kochen und zum Abspülen danach, die Kinder zum Trinken nach dem vielen Spielen und Laufen in der Pause oder zum Runterspülen eines kleinen oder auch grösseren Geschäfts (dafür brauchen wir Lehrer das Wasser auch, wenn auch nicht so häufig). So kommen bei 100 Kindern und einer handvoll Lehrer, Hausmeister und Köche plus Kindergarten mit Personal fast 150 Leute zusammen und alle brauchen sie Wasser, nicht zum Unterricht, sondern zum Leben! Und wenn man von 9-17 Uhr an der Schule ist lebt man hier sehr viel. Leider sieht das unser toller Chef nicht so ganz ein und deshalb kauft er nur einmal wöchentlich Wasser, das reicht natürlich bei weitem nicht, weshalb wir nach dem Mittagessen heimgehen. Wir waren einmal Länger da als kein Wasser für das Klo da war und ich sag nur eins: Heimgehen ist BESSER!!! Dem Unterricht und dem Lernfortschritt der Kinder hilft das wiederum natürlich nicht, aber es geht einfach nicht! Wer glaubt es ginge auch ohne oder mit wenig Wasser, das eine Woche rumsteht, der soll die Krankenhausrechnung der drei Kinder bezahlen die vom schmutzigen Behälterwasser schon krank geworden sind. Alles nicht so einfach ohne Wasser und ich merke wie abhängig wir doch sind von so etwas simplen wie Wasser! Aber alle reden nur von der Wall Street, aber es wird eine Zeit kommen, da auch dort das Wasser gehandelt wird und spätestens dann wissen es alle.

Man muss aber auch sagen, dass mit dem vorhandenen Wasser nicht gerade zimperlich umgegangen wird. Alfonso wäscht sein Auto auch im Fluss nebenan, aus dem sich unsere Nachbarn ihr Wasser zum … ähh … Leben holen. Also nicht immer nur die bösen Unternehmen! Muss auch mal gesagt werden, dass es am Umweltbewusstsein der ansonsten so grünen Ureinwohner etwas mangelt.

Ein normaler Tag hier…

Freitag, April 11th, 2008

…beginnt um 8:00 Uhr, wenn ich nicht gerade von einem Telefonanruf aus Deutschland schon um 4:00 Uhr geweckt werde. Ich wasche/dusche mich mit kaltem Wasser und frühstücke ein wenig. Weißbrotsemmeln gibt es immer, dazu Butter oder Marmelade (beides zusammen gilt als gierig) manchmal auch Wurst, in der man von Fleisch bis Haut alles in sehr groben Fetzen findet was das Schwein hergibt – mir schmeckt sie kaum, aber die Hausgemachte Chilisoße macht’s erträglich. Hin und wieder kaufe ich Nutella. Getrunken wird Tee oder Kaffee und wer mich kennt weiß wie ich warme oder gar heiße Getränke hasse, was anderen ein so wohliges Gefühl im Bauch verschafft, verschärft meine allmorgendliche schlechte Laune nur noch mehr. Aber was soll’s, es gibt schlimmeres!

Danach geht es mit dem Auto die 3 km auf Schotter zur Schule. Hat ein Kind mal verschlafen nehmen wir es mit, weil der Bus nicht wartet und wir eh immer etwas zu spät dran sind, da passt das perfekt. Um 9:00 Uhr geht dann die Schule los, das heißt, dass der Unterricht etwa 15 Minuten später beginnt, weil die Kinder gern spielen und die Lehrer gern ratschen (oder zu spät kommen! 🙂 ), da es keinen Schulgong gibt (nur eine traditionelle Trompete, die nie einer bläst) fällt das aber keinem auf und stört so auch nicht weiter. Ich beschwere mich sicherlich nicht! Wenn es dann mal los geht helfe ich in Englisch und Mathematik, sowie bisweilen in Naturaleza, was so ähnlich ist wie Erdkunde. Mangelnde Sprachkenntnisse in Spanisch verhindern aber ein klares und schlüssiges Erklären meinerseits. Wer glaubt bei uns im Klassenzimmer die kleinste Spur von Disziplin zu finden, irrt gewaltig! Für gewöhnlich schwelt eine gepflegte Unterhaltung der Schüler, die nur gelegentlich vom Diktat oder Pausen unterbrochen wird. Wird das Dauergespräch nicht  durch den Lehrer unterbrochen, dann durch die Schüler selbst: Aufstehen und sich lautstark Sachen von Anderen holen, kleinere Raufereien und Schwitzkastennahmen oder für alle hörbare Musik vom Handy sind die nur die Top 3 der Rangliste alltäglicher Störungen. Man muss aber nicht immer stören um nichts vom Unterricht mitzubekommen, auf die Tische der ins Heft gemalt und geträumt wird auch viel, wenn nicht gerade gekichert wird. Seit letzter Woche haben wir in der Schule auch Schulbücher! Nur knapp einen Monat nach offiziellem Schulbeginn hat uns das Ministerium die Bücher geschickt, da das nicht, wie von mir erwartet, für Aufregung gesorgt hat, denke ich mal das ist normal so. Ich gehe auch davon aus, dass wir mit dem Buch eh nicht fertig werden, immerhin arbeiten wir schon gut 2 Wochen mit der 8. Klasse an positiven und negativen Zahlen und schon ganze drei Schüler können sich nun unter dem Zahlenstrahl etwas vorstellen. Vorgestern kam dann zum Addieren und Substrahieren auch noch das Multiplizieren und Dividieren negativer Zahlen hinzu, was einem Neubeginn beim Erklären negativer Zahlen gleichkommt. In Mathe läuft es also nicht so bei den Kindern und in Englisch geht es gar nicht 🙁 . Einfache Wörter bleiben hängen bis zum Mittagessen, deren Aussprache nur bis kurz nach der ersten oder zweiten Wiederholung. Sätze sind außer in der 8. noch immer undenkbar, trotz reichlicher Übung. An Hirnkastl wie Pfannen mit Antihaftbeschichtung mag jetzt der ein oder andere von euch denken, aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht: Diese Woche hat nämlich Einer ganze drei Sätze geschafft! Die Schwierigkeit mag aber sicher sein, dass die Kinder im Allgemeinen nichts vom Unterrichtsgespräch halten. Weder in Englisch noch in Spanisch schafft man es ihnen Antworten zu entlocken. Ich nicht, und die Lehrer hier auch nicht. Schüchtern und verunsichert geben sie sich in allem was nicht Privatgespräch ist. Sogar wenn man sie nach ihrem Namen fragt antworten sie nur kleinlaut und meist mit abgewandtem Blick. Und da sage noch Einer sie wären nicht lernfähig! Aus all den Jahren der kulturellen Unterdrückung und Ausgrenzung haben sie gelernt dass sie dumm und unwichtig sind und dazu noch die Scham vor dem eigenen Namen, gut gemacht Staat! Aber wir arbeiten hart an ihrem Selbstwertgefühl, was hier meiner Meinung nach als größtes Problem im Hintergrund der schlechten Leistungen steht. Und langsam bessert sich das auch umso mehr das Schuljahr voranschreitet. Die Mapuche brauchen eben sehr sehr lange um aufzutauen, was wohl das Stereotyp vom schweigsamen nachdenklichen und misstrauischen Indianer so populär gemacht hat.

Mittags gibt es Essen von der Schule aus. Was mir wie Mensaspeisen in der Uni vorkommt, ist hier Essensvielfalt pur für die Kinder. Da die meisten zu Hause Selbstversorger sind, weil sie sich die Preise im Supermarkt nur selten leisten können oder wollen, gibt es auf dem Teller was im Garten wächst oder grast. Zum Beispiel: würde ich hier wohnen wäre auf meinem Speiseplan selbstgemachtes Weißbrot ohne Salz, Honig von Alfonsos Bienen, Kartoffeln, Gelberüben, Salat und Hühnchen sowie deren Eier; ein oder zweimal im Jahr gäbe es Rindfleisch (Feste nicht eingerechnet!). So sind die einfachen Fleisch- und Reisgerichte gesunde und nötige Abwechslung für die Kinder. Aber es schmeckt ihnen trotzdem selten. Was der Bauer nicht kennt…

Nach dem Essen von 12:00-14:00 Uhr geht dann der Unterricht für alle 100 Schüler weiter, für 25 von ihnen heißt das aber auch Individualstunden bei den Förderlehrerinnen um an ihren Defiziten zu arbeiten. Um 16:30 Uhr kommt dann der Schulbus und bringt sie alle nach Hause. Wir Lehrer gehen kurz darauf und wenn noch Zeit ist Für mich, dann fahre ich noch nach Temuco. Ansonsten gibt’s Abendessen zuhause: Weißbrot mit Honig, Ei, Hühnchen und Chili, was sonst?

Chiloé

Freitag, April 4th, 2008

Weiter im Süden liegt kurz vor der Küste eine ziemlich große Insel. Mit rund 180 km Länge und gut 50 km Breite ist sie die zweitgrößte nach Feuerland. Dort habe ich Ostern verbracht, im Haus des Chefs der Organisation, die die Schule betreibt. Ein zweischneidiges Schwert, da damit sichergestellt wurde, dass ich von chilenischen Ostertraditionen nur im Fernsehen etwas sehe, aber billig nach Chiloé reisen und dort 4 Tage leben konnte. Mich hat das schon gewurmt, weil ich Ostern und die hier ablaufenden Umzüge echt gern gesehen hätte, aber einem eingefleischten Egomanen zu erklären man möchte sein Angebot ausschlagen, zumal ich ja noch nicht auf Chiloé war, ist sehr schwer.
Die Insel selbst ist wunderschön, voll mit verschlafenen Fischerorten wie Quemchi, Ancud oder Castro, der Hauptstadt der Insel. Überall geht es sehr gemächlich zu. Bei Ebbe repariert oder streicht man die Boote, wenn man gerade nicht Netze flickt. Bei Flut geht es raus auf das Meer. Für die meisten heißt das allerdings nicht viel, denn die Lachsindustrie liegt nur wenige hundert Meter vor der wettergeschützten Ostküste. Fährt man vom Landesinneren der Insel Richtung Küste, sieht man die Lachsanlagen im Meer schon von weitem von den kleinen Hügeln aus, über die sich die Strassen mühen. In Quemchi kaufen wir auf der Strasse Fisch von einem Fischer der gerade angelegt hat. Frischer geht es nur vom Großfrachter, der den Fisch gleich an Bord einfriert. Er scheint sehr glücklich zu sein über den Handel. Zum Einen muss er nun 3 Fische weniger schleppen, zum Anderen war der Preis wohl besser als am Markt und außerdem glaube ich, muss er seiner Frau davon nichts abgeben. 😉 Über Schotterstrassen geht es weiter einen Jungen abholen, der zum Austausch an unsere Schule soll. Nichts Spektakuläres. Vieles, was äußerlich nach Armut aussieht, ist es nicht. Auf Chiloé herrscht Vollbeschäftigung, ja eigentlich Arbeitermangel. Grund dafür ist der Lachs. Chile, eigentlich Chiloé, ist zweitgrößter Lachsfabrikant nach Norwegen! In 2 Jahren will man Norwegen überholt haben. Wer die gewaltigen Neubausiedlungen vor Castro gesehen hat glaubt das sofort!!! 100.000 Menschen haben sich dort in den letzten rund 10 Jahren ein Häuschen im Fertigbaustil gekauft. Eine Siedlung die seinen US-Amerikanischen Vorbildern in rein gar nichts nachsteht! Alle und noch viel mehr arbeiten nur mit Lachs. Schön, da freut sich Vater Staat, aber irgendwer schaut doch sicher in die Röhre oder? Richtig! Die Leute in Temuco, 600km weiter nördlich, wo ich Praktikum mache. Junger Lachs braucht nämlich frisches, äußerst sauberes Wasser. Das kriegt er vor Chiloé natürlich nicht, wohl aber in den Flüssen und Bächen im Norden, bei uns. Schade nur dass durch die Lachsindustrie Gewässer, wie auch hier gravierend belastet sind und das den kompletten Flusslauf, bis ins Meer. Die Leidtragenden sind natürlich die, die weiter unten im Flusslauf an das Wasser ranmüssen, und schon sind wir wieder in Labranza! Von den hunderten LKWs, die die Fische durchs Land karren (nach Chiloé zum Mästen und zurück bis Santiago und Valparaíso und natürlich eurem bescheidener Beitrag bis zum Supermarkt und wieder zurück in die Küche zuhause) will ich mal gar nicht reden. Es gibt hier genug Wasser, nur nutzen kann man es nicht – das ist das Problem hier!
Landschaftlich werden hier jedem Deutschen die Augen feucht. Wie daheim! Grün wohin man schaut, ein Klima fast wie im Garten daheim und Kühe, Kühe, Kühe, dass auch dem Allgäuer das Herz aufgeht. Chiloé kann nämlich nicht nur Lachs sondern auch Käse. Der Käse ist allerdings sehr mild und kaum der Rede wert, weil er dem Gourmet schlicht zu gewöhnlich ist. Recht so, so reicht er nämlich für alle Chilenen ohne teuer zu werden (wegen der Nachfrage) und das ist doch auch was! Chiloé hat allerdings zwei Gesichter: Bei Regen und bei Sonne. Während es bei Sonnenschein an Oberbayern und Allgäu erinnert, verwandelt sich Chiloé bei Regen in ein düsteres Eiland, das fast schon unheimlich wirkt, vor allem dann, wenn die dichten Regenstreifen die an sich lebhaft grünen Bäume in graue Spinnenbeine verwandelt, die scheinbar überall aus dem Boden ragen. Die Hügel wirken unüberwindbar und endlos, denn kaum ist einer überwunden taucht aus dem dunklen Schleier schon der nächste auf. Und was man gestern noch als schöne ruhige Abgeschiedenheit empfand, wird zu trostloser Einsamkeit und Gottverlassenheit. So mag es gekommen sein, dass sich auf der Insel eine eigene und äußerst vielfältige Mythologie entwickelt hat, die durch die Abgeschiedenheit vom Festland (räumlich und politisch, da Chiloé bis Mitte des 20. JH selbstständig war) auch noch gut erhalten ist. Fabelwesen, Hexen und Monster, alles haben die Geschichten der Insel zu bieten und dazu natürlich wie immer eine Menge Seemannsgarn. Deshalb kommen einem Europäer die Geschichten wahrscheinlich auch alle etwas bekannt vor. 🙂
Ich war also 4 ganze Tage dort und habe die Leute und Orte gesehen, war am Strand (leider nicht im Wasser, weil ich erkältet war) und habe Unmengen von Meeresfrüchten gegessen. Unglaublich was sich da alles in den kalten Wassern des Humboldtstroms herumtreibt! Das meiste frisch vom Fisherman oder seinem Friend, aber natürlich auch selber herausgezogenes! Muscheln und Schnecken braucht man dort bei Ebbe nur von den Steinen aufsammeln. Schmecken sogar. Der Nachbar hat eines Abends Krabben gekocht und uns auch eine abgegeben. Auch eine feine Sache! Am meisten beeindruckt war ich aber von den Kolibris, die auf Chiloé frei in der Luft herumstehen. Schon beeindruckend, wie schnell sie fliegen und stehen bleiben können.

Fotos gibt es wie immer rechts unter “Links”! (Manche haben sie noch nicht gefunden! 😉 )