…beginnt um 8:00 Uhr, wenn ich nicht gerade von einem Telefonanruf aus Deutschland schon um 4:00 Uhr geweckt werde. Ich wasche/dusche mich mit kaltem Wasser und frühstücke ein wenig. Weißbrotsemmeln gibt es immer, dazu Butter oder Marmelade (beides zusammen gilt als gierig) manchmal auch Wurst, in der man von Fleisch bis Haut alles in sehr groben Fetzen findet was das Schwein hergibt – mir schmeckt sie kaum, aber die Hausgemachte Chilisoße macht’s erträglich. Hin und wieder kaufe ich Nutella. Getrunken wird Tee oder Kaffee und wer mich kennt weiß wie ich warme oder gar heiße Getränke hasse, was anderen ein so wohliges Gefühl im Bauch verschafft, verschärft meine allmorgendliche schlechte Laune nur noch mehr. Aber was soll’s, es gibt schlimmeres!
Danach geht es mit dem Auto die 3 km auf Schotter zur Schule. Hat ein Kind mal verschlafen nehmen wir es mit, weil der Bus nicht wartet und wir eh immer etwas zu spät dran sind, da passt das perfekt. Um 9:00 Uhr geht dann die Schule los, das heißt, dass der Unterricht etwa 15 Minuten später beginnt, weil die Kinder gern spielen und die Lehrer gern ratschen (oder zu spät kommen! 🙂 ), da es keinen Schulgong gibt (nur eine traditionelle Trompete, die nie einer bläst) fällt das aber keinem auf und stört so auch nicht weiter. Ich beschwere mich sicherlich nicht! Wenn es dann mal los geht helfe ich in Englisch und Mathematik, sowie bisweilen in Naturaleza, was so ähnlich ist wie Erdkunde. Mangelnde Sprachkenntnisse in Spanisch verhindern aber ein klares und schlüssiges Erklären meinerseits. Wer glaubt bei uns im Klassenzimmer die kleinste Spur von Disziplin zu finden, irrt gewaltig! Für gewöhnlich schwelt eine gepflegte Unterhaltung der Schüler, die nur gelegentlich vom Diktat oder Pausen unterbrochen wird. Wird das Dauergespräch nicht durch den Lehrer unterbrochen, dann durch die Schüler selbst: Aufstehen und sich lautstark Sachen von Anderen holen, kleinere Raufereien und Schwitzkastennahmen oder für alle hörbare Musik vom Handy sind die nur die Top 3 der Rangliste alltäglicher Störungen. Man muss aber nicht immer stören um nichts vom Unterricht mitzubekommen, auf die Tische der ins Heft gemalt und geträumt wird auch viel, wenn nicht gerade gekichert wird. Seit letzter Woche haben wir in der Schule auch Schulbücher! Nur knapp einen Monat nach offiziellem Schulbeginn hat uns das Ministerium die Bücher geschickt, da das nicht, wie von mir erwartet, für Aufregung gesorgt hat, denke ich mal das ist normal so. Ich gehe auch davon aus, dass wir mit dem Buch eh nicht fertig werden, immerhin arbeiten wir schon gut 2 Wochen mit der 8. Klasse an positiven und negativen Zahlen und schon ganze drei Schüler können sich nun unter dem Zahlenstrahl etwas vorstellen. Vorgestern kam dann zum Addieren und Substrahieren auch noch das Multiplizieren und Dividieren negativer Zahlen hinzu, was einem Neubeginn beim Erklären negativer Zahlen gleichkommt. In Mathe läuft es also nicht so bei den Kindern und in Englisch geht es gar nicht 🙁 . Einfache Wörter bleiben hängen bis zum Mittagessen, deren Aussprache nur bis kurz nach der ersten oder zweiten Wiederholung. Sätze sind außer in der 8. noch immer undenkbar, trotz reichlicher Übung. An Hirnkastl wie Pfannen mit Antihaftbeschichtung mag jetzt der ein oder andere von euch denken, aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht: Diese Woche hat nämlich Einer ganze drei Sätze geschafft! Die Schwierigkeit mag aber sicher sein, dass die Kinder im Allgemeinen nichts vom Unterrichtsgespräch halten. Weder in Englisch noch in Spanisch schafft man es ihnen Antworten zu entlocken. Ich nicht, und die Lehrer hier auch nicht. Schüchtern und verunsichert geben sie sich in allem was nicht Privatgespräch ist. Sogar wenn man sie nach ihrem Namen fragt antworten sie nur kleinlaut und meist mit abgewandtem Blick. Und da sage noch Einer sie wären nicht lernfähig! Aus all den Jahren der kulturellen Unterdrückung und Ausgrenzung haben sie gelernt dass sie dumm und unwichtig sind und dazu noch die Scham vor dem eigenen Namen, gut gemacht Staat! Aber wir arbeiten hart an ihrem Selbstwertgefühl, was hier meiner Meinung nach als größtes Problem im Hintergrund der schlechten Leistungen steht. Und langsam bessert sich das auch umso mehr das Schuljahr voranschreitet. Die Mapuche brauchen eben sehr sehr lange um aufzutauen, was wohl das Stereotyp vom schweigsamen nachdenklichen und misstrauischen Indianer so populär gemacht hat.
Mittags gibt es Essen von der Schule aus. Was mir wie Mensaspeisen in der Uni vorkommt, ist hier Essensvielfalt pur für die Kinder. Da die meisten zu Hause Selbstversorger sind, weil sie sich die Preise im Supermarkt nur selten leisten können oder wollen, gibt es auf dem Teller was im Garten wächst oder grast. Zum Beispiel: würde ich hier wohnen wäre auf meinem Speiseplan selbstgemachtes Weißbrot ohne Salz, Honig von Alfonsos Bienen, Kartoffeln, Gelberüben, Salat und Hühnchen sowie deren Eier; ein oder zweimal im Jahr gäbe es Rindfleisch (Feste nicht eingerechnet!). So sind die einfachen Fleisch- und Reisgerichte gesunde und nötige Abwechslung für die Kinder. Aber es schmeckt ihnen trotzdem selten. Was der Bauer nicht kennt…
Nach dem Essen von 12:00-14:00 Uhr geht dann der Unterricht für alle 100 Schüler weiter, für 25 von ihnen heißt das aber auch Individualstunden bei den Förderlehrerinnen um an ihren Defiziten zu arbeiten. Um 16:30 Uhr kommt dann der Schulbus und bringt sie alle nach Hause. Wir Lehrer gehen kurz darauf und wenn noch Zeit ist Für mich, dann fahre ich noch nach Temuco. Ansonsten gibt’s Abendessen zuhause: Weißbrot mit Honig, Ei, Hühnchen und Chili, was sonst?