Archive for März, 2008

Fleischfest

Freitag, März 28th, 2008

Was das Bier für den Deutschen ist, ist das Fleisch für die Mapuche: Es darf zu keiner Festlichkeit fehlen und wenn es zu sich genommen wird, dann in rauen Mengen. Alfonso, Rosita, Nikolas und ich waren vor Ostern auf einem Mapuche-Fest. Diese finden zur Zeit überall in den Gemeinen statt, und hat Erntedankcharakter. Weil jetzt die Zeit der Fülle ist und der Winter bevorsteht. Man feiert also die fetten Monate des Sommers und speckt sich selbst somit an, sowie den Haushalt ab, denn wie in jedem Sommer hat man jetzt ein bis zwei Tierchen zuviel im Stall, oder besser gesagt Garten, stehen. Da man sie nicht durch den Winter bringen kann, der ein oder andere hat sicher beide Hände voll zu tun sich und seine Familie durch den Winter zu kriegen, kommen sie jetzt auf den Grill damit sich alle ein Scheibchen abschneiden können.

Der Ablauf eines solchen Festes ist immer gleich: Am ersten Tag (Freitag) feiert die einheimische Gemeine allein. Auswärtige (Mapuche oder Winka spielt in diesem Fall keine Rolle) dürfen sich einen schönen Abend wo anders machen, denn beim Fest haben sie definitiv nichts verloren. Für die die es nicht glauben wollen und trotzdem vorbeischauen stehen Reiter mit Knüppeln bereit und zeigen einem gerne den Weg nach Hause. Stell sich das mal einer auf dem Oktoberfest vor! Naja, in Deutschland darf halt jeder seinen Arsch dabei haben, ob das Fest deswegen schöner ist weiß ich nicht. Ich habe mir sagen lassen es werde getanzt und gegessen, genauer geht mich das nicht an, ich soll in 4 Jahren kommen, wenn unsere Gemeinde mit Feiern dran ist, bis dahin soll ich die Tradition respektieren und mich in Vorfreude üben. So sind sie halt, aber ist nur halb so schlimm, am zweiten Tag (Samstag) darf nämlich jeder zuschauen. Wir aus der Nachbargemeinde auch! Hin geht es mit dem Auto, mit dem wir die vielen Pferde und Ochsengespänne überholen, die auch zum Fest fahren. Vor Ort weisen uns Reiter mit (heute) Ruten den Weg zum Parkplatz und hinter dem Stacheldraht nehmen wir dann Platz. Das ist in etwa 200 m Abstand zum Geschehen. Der Vormittag gehört noch immer der Gemeinde. Gegessen und getrunken wird allerdings nicht, eine Art Fastenzeit 🙂 . In einem Halbkreis stehen provisorische Holzhütten auf dem Feld eines Bauern, diese bieten den feiernden Familien als Sonnen- und Windschutz. Die Öffnung des Halbkreises zeigt nach Osten, dem Norden der Mapuche, dort steht auch ein Altar um den sie herumfeiern, samt Tiere, teils auf dem Feld, teils über dem Feuer. Nur Hunde werden vertrieben, da diese Schmarotzer sind. Alles in Allem ein Bild irgendwo zwischen Kaltenberger Ritterspielen und Stall zu Bethlehem. Die Reiter in Ponchos und den typisch chilenischen Hüten (niedrig aber breit) reiten um die Feierlichkeiten und passen auf. Die Zeremonie habe ich zwar dann noch gesehen, werde sie aber erst beschreiben wenn ich die ganze in der Schule gesehen habe und die Erklärungen gehört habe, ich will ja kein Halbwissen verbreiten wenn es sich vermeiden lässt! 😉

Um 16 Uhr geht es dann endlich zur Sache. Die Tänze und Riten sind vorbei, die Mapuche müde und das Fleisch fertig. Lange haben sie es über dem Feuer vor ihren Hütten gedreht. Jetzt wird gegessen was im Winter keinen Platz mehr findet: Schweine, Kühe, Ochsen, Geflügel, Pferde. Zuerst essen sich die Familien satt, dann geben sie ihren Freunden und danach den Zuschauern, uns hinter dem Zaun. Das kann dann schon nochmal etwas dauern, aber es lohnt sich!!! Wir bekommen einen großen Teller voll mit Fleisch gereicht. Der eine bringt Schwein, der andere Pferd. Ich weiß nicht mehr wie viel und was genau ich alles gegessen habe, aber Pferd war es sicher, weil es wertvoller ist als der Rest, hat sich Alfonso genau gemerkt von wem er es bekommen hat und hat mir zuerst gegeben. Er merkt es sich, weil man hier nichts bezahlt, man merkt sich wer einem gegeben hat und gibt ihm wenn man selbst feiert. das System funktioniert leider nur unter Mapuche, da bei Festen der Winkas meist bezahlt wird, was unsereins einen asozialen Beigeschmack verleiht. Die Mapuche leben nämlich seit jeher in kommunismusähnlichen Gemeinbesitzverhältnissen, der hier gut zu funktionieren scheint. Ärger gab es deshalb jedenfalls selten unter den Stämmen. Wir schlagen uns also den Ranzen voll, mit purem Fleisch. Wenn du Beilagen willst bringst du sie dir selber mit, den hier wird „echtes“ Essen gegessen! So sagen sie hier. Arme Vegetarier also, aber die gibt es hier eh nicht, kein Grund also zur Rücksichtnahme. Zum Sonnenuntergang ist dann alles gegessen, was uns gegeben wurde. Die Gemeine feiert weiter und hört auf wann sie will, ob das nun Sonntag oder Montag ist. So genau nehmen sie das hier nicht so! Das verleiht ihnen dann aber seitens der Chilenen den Ruf faul zu sein, weil sie feiern und nicht arbeiten gehen. Stimmt auch, man muss aber sehen, dass der Großteil der hier feiernden nicht in der Stadt arbeitet sondern auf dem heimischen Hof, wo es deren Angelegenheit ist ob sie arbeiten oder nicht. Selbstverantwortung nennt das dann der Deutsche und hält sich raus. Wobei man bemerken sollte, dass die Mapuche, aber die Chilenen genauso, etwas langsamer (bei Feiern und Arbeit) zu Werke gehen als der Durchschnittsmitteleuropäer, aber ihre Arbeit machen sie aber. Faulheit ist aber die Arbeit nicht zu machen, also sieht es nur so aus als wären sie faul, in Wirklichkeit sind sie langsam, was der Bayer an sich oft als Gemütlichkeit und somit als Tugend empfindet. Also nochmals Vorsicht bei den Vorurteilen! 🙂

Erkältet habe ich mich auch bei dem Fest, weil Abends dann ein kalter Wind ging, ist aber schon wieder gut!

Schulalltag

Sonntag, März 16th, 2008

Nachdem der Schulanfang vom offiziellen Beginn (nun schon) vorletzte Woche auf letzte Woche wegen Wassermangels verschoben wurde, rollten die Schulbusse nun an und es fand eine Begrüßung der Schüler durch den Schulleiter, die Direktorin und alle Lehrer statt. Wie sich das eben so gehört. Mir hatte niemand was gesagt, drum stand ich etwas nervös vor den 105 Kindern die mich mit großen braunen Augen ansahen und mehr oder weniger stramm in Reihe standen. Man kann die websigen Erstklässler ja verstehen, sind ja auch zum ersten mal weg von Mama, ruhig stehen ist da nicht drin. Die teure Schuluniform ist auch meist etwas zu groß, sofern man sie sich überhaupt leisten konnte. Ich rede also mal auf Spanisch drauf los, sage was ich sagen kann, einfallen würde mir mehr! Danach spricht auch noch der Hausmeister ein Machtwort über den Umgang mit dem Gemäuer und den Pflanzen, alle schauen aufmerksam, ob sie zuhören weiß ich nicht, denn das eine blinde und somit weißliche Auge von Don Jorge ist auch für mich eine enorme Ablenkung. Schule ist danach dann nur bedingt, weil es der Schule neben Wasser auch an einer Englischlehrerin mangelt, diese gibt auch andere Fächer, also kann ich den Ausfall nur bedingt kompensieren. So werden Formalien besprochen, der Schulbeginn für die vergangene Woche von 9:00 auf 10:00 Uhr angesetzt und den Schülern frei gegeben. Feine Sache!

Die nächsten Tage sind nicht viel anders, es wird spät begonnen und nur Unterricht „light“ gemacht. Für mich heißt das milde Vokabelarbeit in der 5. und 6., die von Englisch keinen Plan haben. Wir lernen also die Farben und malen etwas was diese Farbe hat, das ist für manche so schwer, dass wir die Nummern natürlich nicht mehr schaffen. Uno wird dann wohl morgen gespielt. Denkste, die Farben, geschweige denn deren Englische Namen sind natürlich nicht hängen geblieben. Uno wird demnach die ganze Woche nicht gespielt. Mit ihnen gar auf Englisch zu Kommunizieren ist ein weit entfernter Wunschtraum, der sehr, sehr viel Optimismus bedarf. Diesen kann ich aber beim besten Willen nach dem Sondieren des Wissensstands der 7. und 8. nicht mehr aufbringen. Gut, dass die 7. und 8. ein Projekt machen muss und ich nur die 5. und 6. habe, die ja bekanntlich wegen Raummangels kombiniert (werden sie auch bleiben), das macht die Sache leichter, das Englischunvermögen ist eh gleich. Um 14:00 Uhr (statt 17 Uhr) ist Schluss, wegen Wassermangels. Wir haben zwar Wasser in Eimern, aber der Stundenplan steht ja auch noch nicht, drum macht es wenig sinn Unterricht zu halten sagt die Direktorin den Lehrern, den Schülern und Eltern sagt sie das nicht. So vergeht eine Woche Schule und nicht viel ist passiert, außer dass das Schulessen nicht besser ist als das Mensaessen und ich seither einen milden Durchfall habe. Gut dass es Wasser in Eimern gibt!

Das Wasser scheint aber zu kommen! Arbeiter buddeln ca. einen, manchmal auch zwei Meter im Garten entlang von der Hecke zum Wasserturm. Als ein LKW mit Wasser kommt um die Zisterne zu füllen scheint sie das so zu erstaunen, dass sie für eine Stunde nicht arbeiten können. Danach ist Siesta. Drei Stunden später sehen sie das bereits Vollbrachte und gehen zufrieden nach Hause zu ihren Familien. So geht das die ganze Woche und ein zuständiger vom Staat meldet sich und berichtet, die Arbeiten gingen gut voran, aber die Fertigstellung dauere trotzdem länger, jetzt bis etwa Mai statt April.

– Ohne Kommentar meinerseits –

Und immer fragen mich die Leute wie es wohl ist hier in Chile zu unterrichten, aber leider kann ich es nicht sagen. Ich weiß es einfach nicht! Auch nach zwei Wochen Schule nicht. Aber Morgen geht es dann los, denn seit Freitag gibt es Stundenpläne, und eine Englischlehrerin gibt es nun auch! Viel Glück kann ich ihr da nur wünschen! 😀

Puerto Saavedra

Freitag, März 14th, 2008

Zurück in Labranza, ging es am Samstag nach Puerto Saavedra, einem kleinen Nest an der Küste, wo Julio, ein Lehrer an der Schule, Verwandschaft hat. Grund der Reise war eine Versammlung der dortigen Mapuche. Es soll Land gekauft werden von der Regierung, für die Mapuche – das ist gut. Die Leute dort leben deutlich ärmer als in Labranza, empfangen uns aber mit leckerer Hühnersuppe. Hühnersuppe heißt hier zurecht so, weil im Teller neben der Suppe auch ein ganzes Huhn einfach so drin liegt.

Die Versammlung verläuft nicht ganz so glatt. die Familien müssen entscheiden welches Land gekauft werden soll, gut ist keines der beiden Möglichkeiten. Auch rabiatere Methoden kommen auf. Von Weizen des Großgrundbesitzers anzünden oder nächtlich abschneiden bis Bäume der Holzfirma beschädigen steht auf der Palette. Eine sehr ungute Stimmung. Julio beruhigt die Versammlung, er weiß, dass es nicht gut ist gewaltsam zu reagieren. Es sagt mir nachher im Auto er war ein halbes Jahr im Gefängnis, weil er Feuer gelegt hat. Leicht schockiert entschließe ich mich mehr von seinen Geschichten zu hören. Wir gehen Abends in eine Bar, ein Bierchen trinken, wo ich viel erfahre, nicht alles schön, aber wichtig um die Mapuche zu verstehen. Ich werde es aber hier nicht schreiben, wäre nicht gut.

Am Sonntag war ausschlafen angesagt, bevor es dann mit der Schule am Montag losgeht!

Tanz auf dem Vulkan

Freitag, März 14th, 2008

Wie in Deutschland auch gibt es in Chile ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. Draußen darf man rauchen, und es wird auch viel geraucht, nicht nur von Chilenen und Mapuche. Einer steht immer im Freien und raucht. Er ist groß und rund und schwarz, mit einem weißen Halsband aus Gletscher: der Vulkan Villarrica.

Nach der Vorstellung bei den Machi hatte ich frei bis Montag, dem Schulbeginn diese Woche. Ich habe mich also am Donnerstag Früh kurzentschlossen in einen Bus nach Pucón gesetzt, zwei Stunden südlich im Seengebiet. Feine Sache so ein Touriort, es gibt nämlich warmes Wasser! 🙂 Also habe ich in der Jugendherberge erstmal ausgiebig geduscht, was aber umsonst war weil ich kurz darauf den letzten noch freien Platz beim Rafting in Anspruch genommen hab.

Das eigentlich geile kam aber erst am Freitag: Um 3 Uhr morgens ging es im Dunkel der Nacht mit dem Bus auf 1.400 m zur Talstation des Vulkan Villarica. Danach 5 Stunden zu Fuß noch einmal 1.400 m bergauf in den Sonnenaufgang und zum Krater! Gigantisch, die ersten Stunden in totaler Finsternis, nur sie Milchstraße über einem in der sternklaren Nacht. Zum Frühstück dann der Sonnenaufgang über den Anden östlich von unserer 20-Mann-Gruppe. Danach mit schwerer Ausrüstung über den Gletscher, der sich um den Krater gelegt hat. Immer schwärzer wird der Schnee, immer grössere Lavabrocken liegen im Eis. Die dünne Luft macht sich langsam bemerkbar, aber langsam und zielstrebig ziehen wir weiter zu einer Lavageröllwand auf Eis. Dort geht es nur mit dem Eispickel weiter. Der gefährlichste Teil des Aufstiegs, aber es passiert nichts, normal ist ein Absturz pro Gruppe meint der Führer. Dann endlich: Der Kraterrand! Auf 2.800 m bleibt mir die Luft weg. Das hat nichts mit der Höhe zu tun, dicke Schwefelwolken steigen aus dem Krater auf und ziehen direkt an uns vorbei. Echt beängstigend wenn man mal ein paar Mal die Lungen damit vollgemacht hat. Das Näschen Schwefel, dass man im Chemieunterricht bekommt ist lächerlich! Das T-Shirt vor der Nase wird der Krater erkundet. Geile Aussicht auf die erstarrten Lavaflüße im Tal, das Vorland und die Anden. Die 45 Minuten vergehen wie im Flug. Dann geht es leider schon wieder nach unten, den Gletscher rutschen wir auf dem Hosenboden runter, danach ist es nur noch eine gemütliche Wanderung durch Lavastaub, vorbei an einer zerstörten Bergstation aus den 1970ern und erstarrter Lava. Wahnsinn die Tour!!! Völlig erschöpft fahre ich zurück nach Temuco, die zwei Stunden Im Bus schlafe ich natürlich den Schlaf der Gerechten und träume von der kargen schwarzen Landschaft, den spärlichen Bewuchs, dem Schweiß, der mir vom Rücken in rauen Mengen bis in die Schuhe läuft und dem Ausblick, … dem unglaublich schönen Ausblick in der Stille vor dem Tor zum Erdinneren …

Update: der Vulkan Llaima, der ca. 50 km neben Temuco die Sicht nach Argentinien versperrt ist vorgestern ausgebrochen! Das ist der Vulkan auf den ich vor einiger Zeit nicht durfte, wegen Ausbruchgefahr. (die Polizei sucht schon! 😀 hahaha)

Schau, schau, Schamanen!

Freitag, März 14th, 2008

Letzten Mittwoch war ich mit den anderen neuen Kollegen bei zwei Schamanen, oder Machi (das „ch“ immer wie „tsch“) wie man hier sagt. Das ist nötig, weil die Machi, meist Frauen aber auch Männer, die höchste Respektsperson des Stammes sind und deshalb müssen sie sich uns natürlich erst einmal anschauen bevor wir die Ehre haben Mapuchekinder unterrichten zu dürfen. Wir fahren also bis weit hinter Chol Chol um dort in der Hütte/Haus der Machi (Mann und Frau, die auch zusammen wohnen, was ungewöhnlich ist) zusammen zu essen.

Um das Haus laufen Schweine, Hühner, Truthähne sowie Hunde und Katzen, so riecht es dann auch. Alles hier ist sehr traditionell, besonders die Türen, mit ca. 1,70 m hohem Durchgang. Im Haus ist es dunkel. Bilder von Pferden, alte schwere Holzmöbel, stammesübliche Instrumente und Schmuckstücken, die auf den ersten Blick wie Traumfänger aussehen, zieren die Wände. Die Machi steht hinter einem großen aber niedrigen gusseisernen Ofen und kocht, während der Machi andächtig am Tisch sitzt und Tee trinkt als wir leise und respektvoll eintreten. Wir werden überschwänglich begrüsst mit „Mari Mari“ begrüsst, dem Gruß in Mapudungun. Der Machi ist echt sehenswert: Ein kleiner runder Mann mit einem Kopf so Rund wie sein Bauch und kurzen Fingern an einer riesigen Hand. Sehr eindrucksvoll, ohne dass er etwas macht verbreitet er Respekt und Ehrfurcht wie die Luft die den Raum ausfüllt. Seine Frau, die Machi, ist ebenso klein und rund wie er. Ihr Gesicht ist sehr typisch indigen: rund, mit hohen Wangenknochen und runden dicken Pausbacken, die aufgrund ihres alters nicht mehr ganz so füllig sind wie in ihrer Jugend, was ihren Gesicht mit den Tränensäcken eines Horst Tappert die Züge ähnlich einer Bulldogge verleit, aber freundlich. Das folgende Gespräch beim Essen geht über die Kultur der Mapuche und Religon im Allgemeinen. Der Machi war während der Diktatur gläubiger Katholik und findet auch heute noch viel Gutes am Papst, weil er bei seinem Chilebesuch gesagt hat die Mapuche sollen ruhig ihre Kultur bewahren, weil sie kostbar sei und Gott nichts gegen sie habe, er hat ja auch die Mapuche gemacht. Das verschafft Respekt. Der Papst ist in Chile eh gern gesehen, zumindest Johannes Paul II., weil er den Krieg zwischen Chile und Argentinien über Feuerland durch Verhandlungen abgewandt hat. Daran müssen sich die Protestanten hier messen lassen und schneiden dementsprechend schlecht ab in der allgemeinen Ansicht. Auch der Machi findet harte Worte, danach höre ich nicht mehr zu, ich bin müde vom vielen Zuhören und schaue mir lieber den Machi an. Seine Finger haben sicherlich einen Durchmesser von 3 oder mehr cm. Wahnsinn auch die beiden Ringe an seinen Ringfingern: schlichtes massives Silber mit einem großen Stern in der Mitte. Auf dem Kopf bindet ein Stirnband die langen grauen Haare nach hinten. Ein pfannenkuchengroßes Stück Fleisch verschwindet hinter seinen Händen, als es wieder auf dem Teller erscheint fehlt ein riesiges Stück, dass er mit seinen wenigen Zähnen herausgerissen hat. Ich glaube sein Mutter nannte ihn „Stiernacken“, ich hätte es jedenfalls getan, auch wenn das kein katholischer Heiliger ist. Wenn er lacht zucke ich fast, so laut drückt er die Luft aus seinem massiven Brustkorb den kurzen wurstigen Hals heraus. Auch die Machi hat ein Kreuz bei dem ein jeder Profischwimmer erblasst, auch die männlichen. Und so schaue ich und mache mir Gedanken, ein Vergleich dümmer als der andere, trinke Tee und schon fahren wir auch wieder. Nachdem der Machi nichts gegen mich hat, warum auch, er hat mich nichts gefragt, weil er dachte ich spreche kein Spanisch. Auf der Heimfahrt freue ich mich, dass ich nicht der einzige bin der das Genuschel von Don Roberto nicht immer versteht.

Fotos gibt es natürlich keine, weil die Machi das strikt ablehnen! Das wird sich auch die zwei Monate nicht ändern und auch für alle weiteren Feier etc. gelten! Schade, aber das muss man akzeptieren.

Unsere kleine Farm

Mittwoch, März 5th, 2008

Nach der Übergangsfamilie in der Vorstadt von Temuco ging es am Montagmorgen zur Schule ca. 15 km außerhalb Temucos nahe einem verschlafenen, relativ typisch ärmlichen Nest namens Labranza. Die Schule selbst ist wirklich im Nichts. 15 Minuten Schotterstraße trennen sie von Labranza oder einer weiteren Einfahrt etwas näher bei Temuco. Ich wohne bei einer Mapuchefamilie 5 Minuten von der Schule (hier misst man alles in Zeit mit Auto oder Zeit zu Fuß, meine Angaben sind Autozeiten) ebenfalls mitten im Nichts! Aber es ist ein schönes Nichts, nicht so wie in der Unendlichen Geschichte, ganz im Gegenteil, unser Nichts ist dagegen eher reich bestückt mit einem Holzhaus, einer gefliesten Terrasse, zwei Hunden, vielen Hühnern und Küken, dazu einer Kuh mit Kalb und einem großen Weizenfeld vorm Haus. Sehr idyllisch und ruhig also das Ganze. Ich finde es ziemlich cool. Was ich vermisse ist ein Internetanschluss und warmes Wasser. Wir können uns aber sehr glücklich schätzen, denn wir haben Wasser, im Gegensatz zur Schule, die nur wenig weiter schon seit 1997 auf einen Anschluss wartet, aber der nette Herr vom Bildungsministerium hat uns am Montag versichert, dass wir im April sicher Wasser haben werden. Bis dahin sollen wir uns mit Regenwasser begnügen, klar kein Problem, weil es hier im Hochsommer ja so oft regnet! Dem Spaßvogel ist das sehr wohl bewusst, immerhin wohnt er auch in Temuco und hat seit November erst einmal Regen gesehen, aber die Ausrede zieht seit gut 10 Jahren warum also nicht auch dieses Jahr. Ihr merkt, hier geht es etwas anders zu als im Rest Chiles, das liegt schicht und einfach daran, dass ich jetzt da bin wo viele Mapuche (die indigene Bevölkerung) wohnen. Sie wohnen hier sehr gerne und würden dies auch ungestört tun, wenn die chilenische Staat in den 1960er Jahren nicht den bis dato anerkannten und souveränen (!!!) Mapuchestaat annektiert hätte. Die Mapuche waren nämlich der einzige Stamm der nie besiegt wurde und einen eigenen Staat gründete als es modern war sich von seinen Kolonialherren loszusagen. Von da an wurde ihnen ihr Land Schritt für Schritt enteignet und an deutsche Einwanderer geschenkt, die sich mit guter Infrastruktur und einer funktionierenden Feuerwehr bedankten und dies bis heute machen. Deutsche sind hier also sehr gerne gesehen wie ihr euch sicher vorstellen könnt. Aber die Mapuche sind nicht so schlicht wie manch ein Deutscher, der hier noch immer den berühmten 1.000 Jahren zwischen 1933 und 45 nachtrauert, sie haben dazugelernt. Die Mapuche wollen heute nur in Frieden leben und ihre Kultur pflegen so gut es eben noch geht, was an sich ja kein Verbrechen ist. Nur erkennt die chilenische Verfassung keine Minderheiten an, laut ihr gibt es auf Staatsgebiet nur Chilenen, was an sich zwar nicht nett, aber noch kein Verbrechen ist. Allerdings gibt es da eine unschöne Konstellation mit einem internationalen Vertrag den Chile mit anderen Ländern unter der Führung der USA, nach dem 11.9. unterzeichnet hat, dieser macht solch anti-nationalen Bestrebungen wie die der Mapuche leider terrorverdächtig. So schafft man sich über Nacht eine Terrorgefahr wo vorher nur armes Bauernvolk war. Und so ist es nun ein Verbrechen einfach so in Ruhe vom chilenischen Staat leben zu wollen.
Davon merkt man aber hier recht wenig. Alle sind hier bedacht ihre Kultur nicht zu verlieren und zu vergessen, das ist nichts gewaltvolles. Es tut mir echt nicht Leid falls ich euch jetzt eure Indianderklischees verderbe: Hier rennt niemand im Lendenschurz oder Federn im Haar herum (Ausnahme: Mapuchekinder, die Indianer spielen – ja Ironie, gell?). Die Menschen leben in Häusern haben Fernsehen und fließend Wasser sowie Autos, Mikrowellen und Handys. Ab und zu gibt es feierliche Anlässe, dann zieht man seine Tracht aus dem hintersten Eck des Schranks hervor, fährt oder reitet zum Veranstaltungsort und tanzt dort Tänze die man nie irgendwo sonst aufführen würde (Ausnahme: Touristen). Wen das jetzt in irgendeiner Form an das bayerische Brauchtum erinnert, so ist das durchaus gewollt! Es ist hier kaum anders!!! Hart aber wahr. Die Kinder lachen die Alten in ihren Trachten aus, können selber nur noch die Hochsprache (hier Spanisch) und scheren sich einen Dreck um althergebrachte Traditionen, da der PC oder die Playstation wesentlich interessanter ist. Da wird es doch plötzlich etwas anschaulicher, dieses ferne und fremde Chile (Bier gibt es hier übrigens auch in Litern, nur so zur Desillusionierung!!!). Sind wir nicht alle ein bisschen Bayern/Mapuche…
Ich werde demnächst mal Bilder von unserer kleinen Farm hochladen, noch habe ich keine, weil die Mapuche es überhaupt nicht mögen fotografiert zu werden, meine Gastfamilie ist macht da keine Ausnahme. Ich bin aber sehr zufrieden hier, auch weil ich hier meine bescheidenen Kenntnisse aus meiner Zivizeit wieder gebrauchen kann! Wer hätte das gedacht, da ist man rund 13.000km vom Kinderhaus Peißenberg (ja das gibt es noch!) entfernt und in meiner Familie haben sie ein schwerstbehindertes Kind, mit ähnlichen Merkmalen wie das zu meiner Zivizeit! Da hat die Rosita noch mit einem schockierten Deutschen gerechnet, der hat sich aber nicht schocken lassen und hat gleich mal die Spastik vom Nicolas richtig erkannt und angemessen darauf reagiert. Da ist auch der schelmisch lachende Alfonso begeistert vom Winka (so nennt man Nicht-Mapuche in Mapudungun). Ich sag’s euch, es fühlt sich toll an auch mal Klischees andersherum abzubauen!!! Vielen Dank für dieses tolle Gefühl an meine ehemaligen Kolleginnen im Kinderhaus von dieser Stelle!!!

Fotos

Sonntag, März 2nd, 2008

Ich habe es endlich geschafft die Bilder hochzuladen!!!

Erklärungen folgen sobald ich mal wieder Zeit habe! Viel Spaß!!!

Temuco

Sonntag, März 2nd, 2008

So, jetzt bin ich also da! Don Roberto hat mich am Busbahnhof abgeholt und zu Ingrid gebracht, seiner Schwägerin, dort bleibe ich bis Montag. Wo es danach hingeht will er mir immer noch nicht sagen, was für mich nichts Gutes heißt. Bei Ingrid ist es super, nahe zum Internetcafé aus dem ich das hier schreibe, aber leider wieder einmal keine Bilder hochladen kann (das ist hier echt mal beschissen, weil die wenigsten PCs hier USB-Anschlüsse haben, von Brenner ganz zu schweigen! Und wenn doch, dann haben sie kein Programm zum Bilder verkleinern, was ich machen muss, weil sonst die Galerie nicht mitspielt! 🙁 ). Gestern hat mir Don Roberto (der Gründer der Schule und Chef von Fundecam, dem Betreiber) die Escuela Trañi-Trañi mal gezeigt! Echt schön dort, weit außerhalb im Nichts, aber schön! Dach weiß, Wände blau. 4 Klassenzimmer, eine Küche und ein Kindergarten, dazu ein Garten, der auf Grund der sommerlichen Temperaturen sehr braun daherkommt. Don Roberto ist mit seinem Pick-up gleich mal mitten in die Schule gefahren, da die Chilenen bei Schulen gerne auf das eigentliche Schulhaus verzichten und nur Räume bauendie sie mit überdachten Gängen verbinden, was mir bei der Deutschen Schule schon aufgefallen ist. Das wird im Winter sicher ein Spaß!!! 🙂

Danach sind wir zum örtlichen Vulkan gefahren, eine sehr geile Tour!!! Leider war es am Berg selbst zu neblig um wirklich etwas zu sehen und weil der Vulkan seit 2 Wochen wieder aktiv ist dürfen nur Militärs und Forscher in die Sicherheitszone. 🙁 Mein Studentenausweis hat Eindruck gemacht, aber leider nicht genug – Versuch durchgelassen zu werden gescheitert. Die Mondlandschaft des letzten Ausbruchs habe ich dafür gesehen! Zwar wächst schon wieder was aber man riecht es noch. Sehr eindrucksvoll, ehrlich. Mann bekommt wieder etwas Ehrfurcht vor den Naturgewalten und das schadet nie.

Es mag am schlechten Wetter (wenn man starke Bewölkung als so was zählen kann) oder am zähen Informationsfluss, aber hier macht meine Stimmungskurve zum ersten Mal einen Knick nach unten. Vielleicht ist es auch das Bewusstsein, dass ich hier nun bleiben muss und nicht mehr rumreisen kann wie ich es mag. Ich bin eh nicht dafür bekannt mich leicht festzulegen, und wenn ich es dann doch mache bin ich immer schlechter Stimmung, das war immer so und trifft sicher auch jetzt zu, denn ich weiß, dass Temuco nicht schlechter ist als die anderen Städte (Ausnahme Valpo!) die ich bislang gesehen habe. Man wird sehen. Bis dahin befürchte ich mal dass ich nahe der Schule im Nichts der Mapuche wohnen muss und nur noch am Wochenende raus/rein in die Stadt oder in die Berge komme. Stellt euch auch mal darauf ein jetzt mal länger nichts von mir zu hören oder zu sehen. Klingt wie ein Abschied, das wollt‘ ich nicht! Bis gleich also…

Der steinige Weg zum Berg

Samstag, März 1st, 2008

Am ersten Tag (Ankunft) in Talca hab ich erstmal gechillt und mir von der Sonne den Bauch wärmen lassen. Hier war ja bislang immer Sonne, was heißt, dass ich schon schön braun geworden bin – am Hals und an den Unterarmen! Um nun also den Rest etwas anzugleichen habe ich mich an den Pool gelegt und mit einem Stuttgarter Pärchen eine Wanderung im nahe liegenden Nationalpark ausgemacht. Am nächsten Tag um 8 Uhr morgens ging es also in deren Mietauto, einem Chevrolet Corsa, Richtung Nationalpark. Die Wanderung war genial! Wieder einmal wunderbare Aussicht in die Anden, diesmal etwas näher als auf der Campana, aber ich will hier nicht wieder Naturbeschreibungen aufzählen und schwärmen wie toll doch alles ist. Der Weg zum Park war im nachhinein die wahre Sehenswürdigkeit!!!

Im Hotel sagen sie es sind circa 14 km sobald man die Teerstraße verlässt. Aber die Strasse würde gerade erneuert, egal. Wir verlassen also die Teerstraße und sehen schon die Baustelle: Sieht eher so aus, als würde die Strasse neu gebaut. Vor uns warten schon zwei Autos um die eine Geröllspur auf der nicht gebaut wird, zu passieren. 15 min später kommt dann mal ein Auto entgegen, der Fahrer überreicht dem Aufpasser einen Staffelstock und fährt weiter (geile Idee, oder?). Jetzt sind wir dran. über das pure Geröll geht es 3 km, von Strasse ernsthaft keine Spur, auch von Bauarbeiten nicht! Am Ende der einen Spur befindet sich wieder ein Aufpasser, der Fahrer hinter uns gibt brav Stöckchen. 2 km auf einer grauenhaften Schotterstraße kommt uns ein Baufahrzeug entgegen; und sie bauen doch! Jedenfalls schütten sie Kies auf den Boden, so sehen auch die nächsten 3 km aus. Danach geht’s wieder einspurig über eine abenteuerliche Holzbrücke.  Jetzt sieht man sie auch, drei Arbeiter schaufeln irgendwas hin oder her, man erkennt es auf Grund der Langsamkeit ihrer Bewegungen kaum. Und wieder sind rund 5 km geschafft. Doch anstatt des Nationalparks finden wir großes Straßenbaugerät bei der Arbeit. Ein Bagger verbreitert die Spur, von echten Straßenarbeiten keine Spur. Es geht nochmal über eine Holzbrücke, danach über eine bereits fertige Betonbrücke. Das ist echte Erholung!!! Nach 20 km derbste Schotterstraße endlich mal 300 m Beton/Teer! Wahnsinn! Die Stoßdämpfer und unsere Hintern vibrieren noch nach als es schon wieder losgeht. Hier wird nicht mehr gebaut, es folgen 10 km Schotterstraße, die so sein soll wie sie ist. Absolut nervtötend! Vorbei an Campingplätzen und Pensionen geht es und wir fragen uns warum in Dreiteufelsnamen es die Chilenen nicht schaffen mal wenigsten ein Stück der Strasse fertig zu machen? Hier werden 20 km Strasse auf einmal gebaut, jeder Arbeitsschritt von den gleichen 10 Typen, die nochmal 10 Typen brauchen um ihren Bauabschnitt zu sichern und obendrein arbeiten sie meistens mit Schaufeln! Wahnsinn! Kein Wunder das ein 2 km Stück Strasse in Santiago, das 1997 bereits fertig sein sollte, immer noch keine Teerdecke hat, die Arbeiter sind noch hier und schaufeln Dreck! 😀

Naja, die Wanderung hat die „14 km“ entschädigt. Vielleicht haben die hier auch eine andere Meter zu Kilometerumrechnung, denn auf dem Kilometerzähler im Auto standen am Nationalpark nicht 14 sondern fast 40 km mehr als auf dem Straßenschild an der Abzweigung vor der Baustelle! Mir soll’s wurscht sein, nur die beiden Stuttgarter hatten etwas Sorgen um ihr Mietauto, völlig zurecht, der der Rückweg war ja genauso krass!!!

Am letzten Tag in Talca hab ich es nochmal ruhig angehen lassen. Und jetzt, ja jetzt bin ich in Temuco und werde mal schauen was der Ort bringt!