Noch bin ich in Chile, noch habe ich Zeit und die will ich nutzen so gut es geht! Und was wäre da besser, nach dem Schmerz der letzten Tage, als eine gute Zeit mit Freunden? Also auf nach Viña del Mar zu den Kerschers und dann mit Sebastian, der gerade mit den Praktikum in Peru fertig ist, etwas erleben! Nach wie immer feinster Bewirtung und einem Tag in Valparaíso geht es dann mit dem Tur-Bus in einer 24-stündigen Fahrt in den Norden Chiles in die gewaltig große Wüste Atacama. Über die Hälfte der Fahrtzeit sehen wir nur das kahle Braun der staubigen Weiten, unterbrochen nur von noch kahleren und staubigeren Hügeln. Als wir dann endlich ins Bett unseres Hostels fallen ist und egal, dass es klein, schlicht und nicht im Reiseführer steht. Letzteres gefällt mir am Besten, da ich seit einigen Hostelerfahrungen, gerade in Bariloche einen Groll auf alle Hostels hege, die in so tollen „Individualreisebüchern“stehen. Individual ist da ein Scheißdreck, weil alle (vor allem Möchtegern-Weltversteher-Engländer) dorthin pilgern und diese Unterkünfte zu Pauschalreisezielen werden lassen, bei den ein Polt locker ein „Man spricht English“ (oder besser „English spoken“) drehen könnte.
Das Programm der drei Tage dort kann sich aber sehen lassen:
Tag 1:
Morgens um 4 Uhr holt uns der Bus zu den Geisiren ab. Von den rund 2.500 m San Pedros geht es dann auf Schotterstraßen hoch auf stattliche 4.300 m, bis direkt vor die Geisire, da der Touriführer wohl aus Erfahrung lieber niemanden eine kleine Wanderung in dieser Höhe zumuten will. Zurecht, zwar plagen mich keine der in der Höhe üblichen Beschwerden, aber es ist schon erschreckend, wie schnell einem dort die Puste ausgeht! Die Tatio-Geisire befinden sich im größten geothermalen Becken der südlichen Hemisphäre, welches weltweit das Höchste seiner Art ist. Schwer beeindruckt vom brodelnden, spritzenden und dampfenden Wasser, welches hier auf Grund der Höhe schon bei 85°C kocht, knipsen wir was geht. Das Bad in einem der großen Naturbadebecken sparen wir uns, weil ein eisiger Wind über die raue Landschaft zieht und wir eh schon leicht erkältet sind. Zurück geht es über Machuca, einem kleinen „indigenen“ Dorf. Ich kann nur milde Lächeln, was hier gezeigt wird hat mit Authentizität wenig zu tun, dennoch ist das Essen gut. Wir gönnen uns eine Stunde Pause bevor es um 15 Uhr zum Salzgebirge, dem Valle de la Muerte und dem Valle de la Luna geht. Spätestens jetzt verfallen auch Nicht-Geographen in Euphorie: Die Landschaft ist atemberaubend!!! So fremd wirkende Gebirgszüge, Gesteinsformen und Schluchten, alle ohne die geringste Spur auch nur des geringsten Lebens, verschlagen einem die Worte. Das absolute Highlight ist aber der Sonnenuntergang im Valle de la Luna. Wer hier zum Vollmond kommt, zahlt nicht nur doppelt so viel, er erlebt auch doppelt so viel. Doch auch ohne Vollmond überfordert der Anblick die Sinne! Nicht der Sonnenuntergang selbst, sondern sein Echo in den Wolken und Andengipfeln gegenüber rauben einem die Sprache!!! Aus orange wird ein tiefes kräftiges rot, dass alles im Osten erfasst. Bald schon wirken die Berge wie eine lodernde Glut (oder gludernde Lot!? 😀 ) mit den Wolken darüber wie Flammen. Ständig wechselt dieses Farbenspiel und lässt einen am Kameraauslöser schier Verzweifeln, weil man nicht mehr weiß wo man noch knipsen sollte und ständig wird der Anblick schöner. Ein Bild wird aber nie auch nur annähernd das wiedergeben können was man wirklich gesehen hat! Dieses Inferno hält etwa 15 Minuten an, bis es vom blau-violetten Mantel der Nacht erstickt wird und alles Land kühl und erfroren wirkt. Jetzt findet man wieder zu Worten, als erstes kommen die Superlative, dann Sätze die ein oder mehrere „noch nie gesehen“ enthalten. Danach schmeckt einem auch offensichtlich überteuertes Essen besser als sonst und träumt die Nacht über im vollen menschlich sichtbaren Farbspektrum!
Tag 2:
Heute wird es wissenschaftlicher. Nur die rosa Flamingos im grotesken Salzbecken südlich von San Pedro klingen von Farborgie des Vortags nach. Weiß wie frischer Schnee und körnig wie die Oberfläche eines Streuselkuchens so bedeckt das Salz auf den Steinen den Boden, Pflanzen gibt es nicht, nur winzige Shrimps in den kleinen Salzseen in der Mitte, die die Flamingos den ganzen Tag über herauspicken. Feinde, wie den Wüstenfuchs, gibt es kaum, weil der ungern über die spitzen salzüberzogenen Steine läuft. Danach geht es zu den Miscanti- und Meñiquelagunen (benannt nach den beiden Vulkanen nebenan) auf 4.200 m, wo wir Vicuñas und den eben genannten Wüstenfuchs in freier Wildbahn sehen. Nach dem Mittagessen in einem urigen Restaurant, das schon sehr viel näher an meine Vorstellungen von authentisch (ich habe diese noch sehr lebhaft von Temuco im Hinterkopf!) heranreicht, eine letzte Runde über den genauen Verlauf des südlichen Wendekreis und einer alten Inka-Handelsroute zu einem kleinen Ort neben San Pedro, in dem wir sehen wie man auch in der Wüste das knappe Wasser mit Hilfe von Regierungsinitiativen bis zum Totalausfall verschwenden kann. Alle scheinen schockiert, ich kenne das allerdings schon vom Süden, freue mich aber das gleiche Spiel mit etwas anderen Regeln und in neuem Kleid zu sehen 🙁 . Zu den Fakten: ein funktionierendes Wassersystem am Fluss, das kollektiv benutzt wird, wurde zu Zeiten der Diktatur „verbessert“ durch Parzellierung und Staudamm, sowie offenen Leitungen durch den ganzen Ort hin zu den einzelnen Parzellen. Die Stauung, lässt den Fluss unterhalb versanden und aus den offenen Leitungen, sowie der nun größeren Oberfläche der Stauung verdunstet noch mehr Wasser als zuvor. Heute will das tolle Bewässerungssystem Niemand mehr benutzen, weil die Landwirtschaft mehr und härtere Arbeit ist als Touristen durch die Gegend zu karren, ergo machen das die jungen Leute nicht mehr und nur noch die ältere Generation widmet sich der mühsamen Garten- und Feldarbeit. Seit einiger Zeit beginnen diese aber auch auszusterben, das darf man wörtlich verstehen. Die Früchte verfaulen reif an den Bäumen und die Parzellen wuchern zu, dies kümmert keinen, da man die in der Gastronomie San Pedros nötigen Früchte eh tiefgekühlt im LKW von Hafen Antofagastas direkt ins Lokal geliefert bekommt. Dieses Mal schmeckt das überteuerte Essen weil wir verstehen warum es so teuer ist.
Tag 3:
Um 14 Uhr geht unser Bus schon Richtung Santiago los, aber kein Grund zur Untätigkeit! Der fleißige deutsche Tourist schläft nicht aus, sondern mietet ein Mountainbike um die Umgebung im Fahrradsattel zu erkunden. Auf geht es, ehrlich gesagt auf Grund eines für Geographen üblichen Kartenleseaussetzers, zum Valle de la Muerte. Knapp 400-500 Höhenmeter überwinden wir auf den eh schon knackigen 2.500 m San Pedros. Doch nicht nur die Höhe, vor allem auch das Gefühl und der Anblick in der langen Schlucht des „Todestals“ sind atemberaubend. Am Ende des Tals versperrt eine gewaltige Düne das Weiterkommen. Wir kehren um und fahren am Fuße des Salzgebirges entlang zu den Überresten der letzten Inkafestung hier im Gebiet. Die Spanier haben ganze Arbeit geleistet, denn viel ist nicht mehr übrig am steilen Hang nahe San Pedro.
Alles in allem das absolute Highlight meines Chileerlebnisses, mit dem Wermutstropfen, dass es leider weniger Bilder gibt als möglich gewesen wäre, weil uns im Terminal in Antofagasta Sebastians Rucksack samt Kamera gestohlen wurde! 🙁 🙁 Absolut scheiße, aber Gott sei Dank habe ich auch fast 400 Bilder gemacht. Besser als nichts, oder?