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Mapuchefeier in der Schule

Sonntag, April 20th, 2008

Vor einiger Zeit (ich hatte nur keine Zeit und Lust es zu beschreiben! 🙂 ) hatten wir eine traditionelle Feier in der Schule, so wie das was ich unter „Fleischfest“ nicht beschrieben habe!

Leider ist es um die traditionelle Kleidung des Völkchens nicht gut bestellt. Zum Einen weil die Tracht (auch selbstgemacht), wie auch in Deutschland, teurer ist als ein jedes T-Shirt. Zum Anderen, weil man in den vielen Jahren des Widerstands gegen die Kolonisten schlicht und einfach vergessen hat was man vor deren Ankunft so am Leibe trug. Das kann schon mal passieren in Kulturen, die nicht schreiben oder malen. So ist die Tracht de Männer bis auf den Poncho völlig verloren, wenn man vom Stirnband absieht. Der Strohhut ist zwar heute traditionell, aber ursprünglich Siedlertracht. Gut dass man die Frauen hier immer brav im Haus gehalten hat, denn so hat sich wenigstens ihre Tracht annähernd komplett erhalten. Ein schwarzes Kleid mit weißem oder buntem Schurz oder Rock, dazu ein Umhang in schwarz oder bunt damit man nicht friert und auf dem Kopf ein Kopftuch. Das Kopftuch ist NICHT mit Federn geschmückt (wenn ihr Federn wollt, geht Karl May lesen oder in die USA, dort haben sie sowas) sondern mit bunten Stoffstreifen wenn man was zu sagen hat oder gar nicht wenn man einfach nur Mapuche und/oder arm ist, wobei kleine Äste und Blätter gerne gesehen sind. Um die Tracht abzurunden bekommen die Frauen auch noch Silberschmuck umgehängt der leichte Ähnlichkeit mit einem Kettenhemd hat. Da das ganze wie gesagt kostet und man hier lieber seine Kinder ernährt als Trachten zu kaufen, macht man die Trachten billiger, also aus Billigstoff und Neonfarben, was oftmals grauenhaft aussieht aber besser ist als nichts. Wer sich die Bilder in der Galerie ansieht wird erkennen, dass kaum einer der anwesenden Schüler Tracht trägt. Die, die sich in Schale geworfen haben verdanken dies der Schule! Wird wohl deswegen weniger Wasser gekauft schätze ich mal.

Zu Beginn wird ein Altar aus heimischen Ästen errichtet. Ein einfaches Loch in das die Äste gesteckt werden und dann eingegraben werden. Davor stellt der Machi einen Tisch auf dem die Gaben Platz haben: Maisbrei, Getreide und Chicha, angegorener Apfelsaft. Gegenüber des Altars in etwa 15 m Entfernung wird ein Feuer gemacht und die Trommeln angewärmt. Sporandisch aber immer regelmäßiger werdend ertönt eine Trompete aus Horn, soll wohl die Spannung steigern. Als Alle sitzen beginnt die Zeremonie. Männer sitzen in einer Linie gegenüber den Frauen in den 15 m zwischen Altar und Feuer. Das Feuer im Rücken mit Blick auf den Altar beginnen die Machi rhythmisch zu trommeln und singen dazu ein Lied in Mapudungun. Da der sich Text scheinbar ständig wiederholt entsteht der Eindruck eines konstanten „Wahwahwahs“, was es aber nicht ist!!! Der Text ist teils überliefert, teils improvisiert. Die Machi spielen sich und die Anwesenden in einen meditativen Rausch, oder so sollte es sein wenn das Publikum nicht gerade aus Kindern besteht, denen das zu lange dauert weil sie es nicht verstehen. Danach erhebt sich die ganze Gruppe, stellt sich in Reihen nach Männern und Frauen auf und tippelt in kleinen Schritten zum Takt auf den Altar zu und wieder weg, das ganze sooft der Machi will aber immer zuerst von Osten her und dann von Süden, Westen und Norden. Wir belassen es bei Osten und machen gleich weiter mit der Umrundung des Altars. Das wird gemacht um den ewigen Kreislauf des Lebens und der Welt zu würdigen. Danach wird der Maisbrei gereicht, man nimmt eine Handvoll, isst die Hälfte und wirft die andere Hälfte zu Boden. Das ist keineswegs eine Unkultiviertheit , sondern ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber der Naturweil man ihr ja etwas ab-/zurückgibt. Auch zu trinken soll Mutter Erde haben und darum spuckt man auch etwas Apfelsaft auf den Boden. Klar, das solche Zeremonien in der westlichen Welt als saustallartig gelten, daher wohl auch der Ruf der Mapuche schmutzig zu sein, tja und von einem Wein saufenden Trunkenbold von Priester. Ihr versteht die Vorurteile vielleicht jetzt etwas besser. 😉

Danach tanzt man um den Altar, wenn man Trachten hat. Man tanzt in ruckartigen Schritten mit zum Boden gesenkten Kopf und macht Flügelschläge mit seinem Umhang, was vogelähnlich aussieht und auch sein soll. Dazu der immerwährende Takt der Trommeln mit Glocken und Trompeten. Höchst meditativ, man muss wohl dabei gewesen sein! 🙂

Wasser

Freitag, April 11th, 2008

Wir haben immer noch kein Wasser in der Schule, aber siehe da, ein großer blauer Wasserturm wurde neben der Schule errichtet! Der soll nicht nur die Schule sondern auch die angrenzenden Nachbarn mit dem kostbaren Lebenselixier versorgen. Bis er allerdings funktioniert, haben wir Wasser in weißen Behältern rumstehen. Das ist öfters mal aus oder muss gechlort werden, weil es schmutzig ist. „Wozu braucht man denn zum Unterrichten Wasser?“ ist eine berechtigte Frage. Ich brauch‘ für meinen Englisch und Mathematikunterricht kein Wasser, aber die Köchinnen zum Kochen und zum Abspülen danach, die Kinder zum Trinken nach dem vielen Spielen und Laufen in der Pause oder zum Runterspülen eines kleinen oder auch grösseren Geschäfts (dafür brauchen wir Lehrer das Wasser auch, wenn auch nicht so häufig). So kommen bei 100 Kindern und einer handvoll Lehrer, Hausmeister und Köche plus Kindergarten mit Personal fast 150 Leute zusammen und alle brauchen sie Wasser, nicht zum Unterricht, sondern zum Leben! Und wenn man von 9-17 Uhr an der Schule ist lebt man hier sehr viel. Leider sieht das unser toller Chef nicht so ganz ein und deshalb kauft er nur einmal wöchentlich Wasser, das reicht natürlich bei weitem nicht, weshalb wir nach dem Mittagessen heimgehen. Wir waren einmal Länger da als kein Wasser für das Klo da war und ich sag nur eins: Heimgehen ist BESSER!!! Dem Unterricht und dem Lernfortschritt der Kinder hilft das wiederum natürlich nicht, aber es geht einfach nicht! Wer glaubt es ginge auch ohne oder mit wenig Wasser, das eine Woche rumsteht, der soll die Krankenhausrechnung der drei Kinder bezahlen die vom schmutzigen Behälterwasser schon krank geworden sind. Alles nicht so einfach ohne Wasser und ich merke wie abhängig wir doch sind von so etwas simplen wie Wasser! Aber alle reden nur von der Wall Street, aber es wird eine Zeit kommen, da auch dort das Wasser gehandelt wird und spätestens dann wissen es alle.

Man muss aber auch sagen, dass mit dem vorhandenen Wasser nicht gerade zimperlich umgegangen wird. Alfonso wäscht sein Auto auch im Fluss nebenan, aus dem sich unsere Nachbarn ihr Wasser zum … ähh … Leben holen. Also nicht immer nur die bösen Unternehmen! Muss auch mal gesagt werden, dass es am Umweltbewusstsein der ansonsten so grünen Ureinwohner etwas mangelt.

Ein normaler Tag hier…

Freitag, April 11th, 2008

…beginnt um 8:00 Uhr, wenn ich nicht gerade von einem Telefonanruf aus Deutschland schon um 4:00 Uhr geweckt werde. Ich wasche/dusche mich mit kaltem Wasser und frühstücke ein wenig. Weißbrotsemmeln gibt es immer, dazu Butter oder Marmelade (beides zusammen gilt als gierig) manchmal auch Wurst, in der man von Fleisch bis Haut alles in sehr groben Fetzen findet was das Schwein hergibt – mir schmeckt sie kaum, aber die Hausgemachte Chilisoße macht’s erträglich. Hin und wieder kaufe ich Nutella. Getrunken wird Tee oder Kaffee und wer mich kennt weiß wie ich warme oder gar heiße Getränke hasse, was anderen ein so wohliges Gefühl im Bauch verschafft, verschärft meine allmorgendliche schlechte Laune nur noch mehr. Aber was soll’s, es gibt schlimmeres!

Danach geht es mit dem Auto die 3 km auf Schotter zur Schule. Hat ein Kind mal verschlafen nehmen wir es mit, weil der Bus nicht wartet und wir eh immer etwas zu spät dran sind, da passt das perfekt. Um 9:00 Uhr geht dann die Schule los, das heißt, dass der Unterricht etwa 15 Minuten später beginnt, weil die Kinder gern spielen und die Lehrer gern ratschen (oder zu spät kommen! 🙂 ), da es keinen Schulgong gibt (nur eine traditionelle Trompete, die nie einer bläst) fällt das aber keinem auf und stört so auch nicht weiter. Ich beschwere mich sicherlich nicht! Wenn es dann mal los geht helfe ich in Englisch und Mathematik, sowie bisweilen in Naturaleza, was so ähnlich ist wie Erdkunde. Mangelnde Sprachkenntnisse in Spanisch verhindern aber ein klares und schlüssiges Erklären meinerseits. Wer glaubt bei uns im Klassenzimmer die kleinste Spur von Disziplin zu finden, irrt gewaltig! Für gewöhnlich schwelt eine gepflegte Unterhaltung der Schüler, die nur gelegentlich vom Diktat oder Pausen unterbrochen wird. Wird das Dauergespräch nicht  durch den Lehrer unterbrochen, dann durch die Schüler selbst: Aufstehen und sich lautstark Sachen von Anderen holen, kleinere Raufereien und Schwitzkastennahmen oder für alle hörbare Musik vom Handy sind die nur die Top 3 der Rangliste alltäglicher Störungen. Man muss aber nicht immer stören um nichts vom Unterricht mitzubekommen, auf die Tische der ins Heft gemalt und geträumt wird auch viel, wenn nicht gerade gekichert wird. Seit letzter Woche haben wir in der Schule auch Schulbücher! Nur knapp einen Monat nach offiziellem Schulbeginn hat uns das Ministerium die Bücher geschickt, da das nicht, wie von mir erwartet, für Aufregung gesorgt hat, denke ich mal das ist normal so. Ich gehe auch davon aus, dass wir mit dem Buch eh nicht fertig werden, immerhin arbeiten wir schon gut 2 Wochen mit der 8. Klasse an positiven und negativen Zahlen und schon ganze drei Schüler können sich nun unter dem Zahlenstrahl etwas vorstellen. Vorgestern kam dann zum Addieren und Substrahieren auch noch das Multiplizieren und Dividieren negativer Zahlen hinzu, was einem Neubeginn beim Erklären negativer Zahlen gleichkommt. In Mathe läuft es also nicht so bei den Kindern und in Englisch geht es gar nicht 🙁 . Einfache Wörter bleiben hängen bis zum Mittagessen, deren Aussprache nur bis kurz nach der ersten oder zweiten Wiederholung. Sätze sind außer in der 8. noch immer undenkbar, trotz reichlicher Übung. An Hirnkastl wie Pfannen mit Antihaftbeschichtung mag jetzt der ein oder andere von euch denken, aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht: Diese Woche hat nämlich Einer ganze drei Sätze geschafft! Die Schwierigkeit mag aber sicher sein, dass die Kinder im Allgemeinen nichts vom Unterrichtsgespräch halten. Weder in Englisch noch in Spanisch schafft man es ihnen Antworten zu entlocken. Ich nicht, und die Lehrer hier auch nicht. Schüchtern und verunsichert geben sie sich in allem was nicht Privatgespräch ist. Sogar wenn man sie nach ihrem Namen fragt antworten sie nur kleinlaut und meist mit abgewandtem Blick. Und da sage noch Einer sie wären nicht lernfähig! Aus all den Jahren der kulturellen Unterdrückung und Ausgrenzung haben sie gelernt dass sie dumm und unwichtig sind und dazu noch die Scham vor dem eigenen Namen, gut gemacht Staat! Aber wir arbeiten hart an ihrem Selbstwertgefühl, was hier meiner Meinung nach als größtes Problem im Hintergrund der schlechten Leistungen steht. Und langsam bessert sich das auch umso mehr das Schuljahr voranschreitet. Die Mapuche brauchen eben sehr sehr lange um aufzutauen, was wohl das Stereotyp vom schweigsamen nachdenklichen und misstrauischen Indianer so populär gemacht hat.

Mittags gibt es Essen von der Schule aus. Was mir wie Mensaspeisen in der Uni vorkommt, ist hier Essensvielfalt pur für die Kinder. Da die meisten zu Hause Selbstversorger sind, weil sie sich die Preise im Supermarkt nur selten leisten können oder wollen, gibt es auf dem Teller was im Garten wächst oder grast. Zum Beispiel: würde ich hier wohnen wäre auf meinem Speiseplan selbstgemachtes Weißbrot ohne Salz, Honig von Alfonsos Bienen, Kartoffeln, Gelberüben, Salat und Hühnchen sowie deren Eier; ein oder zweimal im Jahr gäbe es Rindfleisch (Feste nicht eingerechnet!). So sind die einfachen Fleisch- und Reisgerichte gesunde und nötige Abwechslung für die Kinder. Aber es schmeckt ihnen trotzdem selten. Was der Bauer nicht kennt…

Nach dem Essen von 12:00-14:00 Uhr geht dann der Unterricht für alle 100 Schüler weiter, für 25 von ihnen heißt das aber auch Individualstunden bei den Förderlehrerinnen um an ihren Defiziten zu arbeiten. Um 16:30 Uhr kommt dann der Schulbus und bringt sie alle nach Hause. Wir Lehrer gehen kurz darauf und wenn noch Zeit ist Für mich, dann fahre ich noch nach Temuco. Ansonsten gibt’s Abendessen zuhause: Weißbrot mit Honig, Ei, Hühnchen und Chili, was sonst?

Chiloé

Freitag, April 4th, 2008

Weiter im Süden liegt kurz vor der Küste eine ziemlich große Insel. Mit rund 180 km Länge und gut 50 km Breite ist sie die zweitgrößte nach Feuerland. Dort habe ich Ostern verbracht, im Haus des Chefs der Organisation, die die Schule betreibt. Ein zweischneidiges Schwert, da damit sichergestellt wurde, dass ich von chilenischen Ostertraditionen nur im Fernsehen etwas sehe, aber billig nach Chiloé reisen und dort 4 Tage leben konnte. Mich hat das schon gewurmt, weil ich Ostern und die hier ablaufenden Umzüge echt gern gesehen hätte, aber einem eingefleischten Egomanen zu erklären man möchte sein Angebot ausschlagen, zumal ich ja noch nicht auf Chiloé war, ist sehr schwer.
Die Insel selbst ist wunderschön, voll mit verschlafenen Fischerorten wie Quemchi, Ancud oder Castro, der Hauptstadt der Insel. Überall geht es sehr gemächlich zu. Bei Ebbe repariert oder streicht man die Boote, wenn man gerade nicht Netze flickt. Bei Flut geht es raus auf das Meer. Für die meisten heißt das allerdings nicht viel, denn die Lachsindustrie liegt nur wenige hundert Meter vor der wettergeschützten Ostküste. Fährt man vom Landesinneren der Insel Richtung Küste, sieht man die Lachsanlagen im Meer schon von weitem von den kleinen Hügeln aus, über die sich die Strassen mühen. In Quemchi kaufen wir auf der Strasse Fisch von einem Fischer der gerade angelegt hat. Frischer geht es nur vom Großfrachter, der den Fisch gleich an Bord einfriert. Er scheint sehr glücklich zu sein über den Handel. Zum Einen muss er nun 3 Fische weniger schleppen, zum Anderen war der Preis wohl besser als am Markt und außerdem glaube ich, muss er seiner Frau davon nichts abgeben. 😉 Über Schotterstrassen geht es weiter einen Jungen abholen, der zum Austausch an unsere Schule soll. Nichts Spektakuläres. Vieles, was äußerlich nach Armut aussieht, ist es nicht. Auf Chiloé herrscht Vollbeschäftigung, ja eigentlich Arbeitermangel. Grund dafür ist der Lachs. Chile, eigentlich Chiloé, ist zweitgrößter Lachsfabrikant nach Norwegen! In 2 Jahren will man Norwegen überholt haben. Wer die gewaltigen Neubausiedlungen vor Castro gesehen hat glaubt das sofort!!! 100.000 Menschen haben sich dort in den letzten rund 10 Jahren ein Häuschen im Fertigbaustil gekauft. Eine Siedlung die seinen US-Amerikanischen Vorbildern in rein gar nichts nachsteht! Alle und noch viel mehr arbeiten nur mit Lachs. Schön, da freut sich Vater Staat, aber irgendwer schaut doch sicher in die Röhre oder? Richtig! Die Leute in Temuco, 600km weiter nördlich, wo ich Praktikum mache. Junger Lachs braucht nämlich frisches, äußerst sauberes Wasser. Das kriegt er vor Chiloé natürlich nicht, wohl aber in den Flüssen und Bächen im Norden, bei uns. Schade nur dass durch die Lachsindustrie Gewässer, wie auch hier gravierend belastet sind und das den kompletten Flusslauf, bis ins Meer. Die Leidtragenden sind natürlich die, die weiter unten im Flusslauf an das Wasser ranmüssen, und schon sind wir wieder in Labranza! Von den hunderten LKWs, die die Fische durchs Land karren (nach Chiloé zum Mästen und zurück bis Santiago und Valparaíso und natürlich eurem bescheidener Beitrag bis zum Supermarkt und wieder zurück in die Küche zuhause) will ich mal gar nicht reden. Es gibt hier genug Wasser, nur nutzen kann man es nicht – das ist das Problem hier!
Landschaftlich werden hier jedem Deutschen die Augen feucht. Wie daheim! Grün wohin man schaut, ein Klima fast wie im Garten daheim und Kühe, Kühe, Kühe, dass auch dem Allgäuer das Herz aufgeht. Chiloé kann nämlich nicht nur Lachs sondern auch Käse. Der Käse ist allerdings sehr mild und kaum der Rede wert, weil er dem Gourmet schlicht zu gewöhnlich ist. Recht so, so reicht er nämlich für alle Chilenen ohne teuer zu werden (wegen der Nachfrage) und das ist doch auch was! Chiloé hat allerdings zwei Gesichter: Bei Regen und bei Sonne. Während es bei Sonnenschein an Oberbayern und Allgäu erinnert, verwandelt sich Chiloé bei Regen in ein düsteres Eiland, das fast schon unheimlich wirkt, vor allem dann, wenn die dichten Regenstreifen die an sich lebhaft grünen Bäume in graue Spinnenbeine verwandelt, die scheinbar überall aus dem Boden ragen. Die Hügel wirken unüberwindbar und endlos, denn kaum ist einer überwunden taucht aus dem dunklen Schleier schon der nächste auf. Und was man gestern noch als schöne ruhige Abgeschiedenheit empfand, wird zu trostloser Einsamkeit und Gottverlassenheit. So mag es gekommen sein, dass sich auf der Insel eine eigene und äußerst vielfältige Mythologie entwickelt hat, die durch die Abgeschiedenheit vom Festland (räumlich und politisch, da Chiloé bis Mitte des 20. JH selbstständig war) auch noch gut erhalten ist. Fabelwesen, Hexen und Monster, alles haben die Geschichten der Insel zu bieten und dazu natürlich wie immer eine Menge Seemannsgarn. Deshalb kommen einem Europäer die Geschichten wahrscheinlich auch alle etwas bekannt vor. 🙂
Ich war also 4 ganze Tage dort und habe die Leute und Orte gesehen, war am Strand (leider nicht im Wasser, weil ich erkältet war) und habe Unmengen von Meeresfrüchten gegessen. Unglaublich was sich da alles in den kalten Wassern des Humboldtstroms herumtreibt! Das meiste frisch vom Fisherman oder seinem Friend, aber natürlich auch selber herausgezogenes! Muscheln und Schnecken braucht man dort bei Ebbe nur von den Steinen aufsammeln. Schmecken sogar. Der Nachbar hat eines Abends Krabben gekocht und uns auch eine abgegeben. Auch eine feine Sache! Am meisten beeindruckt war ich aber von den Kolibris, die auf Chiloé frei in der Luft herumstehen. Schon beeindruckend, wie schnell sie fliegen und stehen bleiben können.

Fotos gibt es wie immer rechts unter “Links”! (Manche haben sie noch nicht gefunden! 😉 )

Fleischfest

Freitag, März 28th, 2008

Was das Bier für den Deutschen ist, ist das Fleisch für die Mapuche: Es darf zu keiner Festlichkeit fehlen und wenn es zu sich genommen wird, dann in rauen Mengen. Alfonso, Rosita, Nikolas und ich waren vor Ostern auf einem Mapuche-Fest. Diese finden zur Zeit überall in den Gemeinen statt, und hat Erntedankcharakter. Weil jetzt die Zeit der Fülle ist und der Winter bevorsteht. Man feiert also die fetten Monate des Sommers und speckt sich selbst somit an, sowie den Haushalt ab, denn wie in jedem Sommer hat man jetzt ein bis zwei Tierchen zuviel im Stall, oder besser gesagt Garten, stehen. Da man sie nicht durch den Winter bringen kann, der ein oder andere hat sicher beide Hände voll zu tun sich und seine Familie durch den Winter zu kriegen, kommen sie jetzt auf den Grill damit sich alle ein Scheibchen abschneiden können.

Der Ablauf eines solchen Festes ist immer gleich: Am ersten Tag (Freitag) feiert die einheimische Gemeine allein. Auswärtige (Mapuche oder Winka spielt in diesem Fall keine Rolle) dürfen sich einen schönen Abend wo anders machen, denn beim Fest haben sie definitiv nichts verloren. Für die die es nicht glauben wollen und trotzdem vorbeischauen stehen Reiter mit Knüppeln bereit und zeigen einem gerne den Weg nach Hause. Stell sich das mal einer auf dem Oktoberfest vor! Naja, in Deutschland darf halt jeder seinen Arsch dabei haben, ob das Fest deswegen schöner ist weiß ich nicht. Ich habe mir sagen lassen es werde getanzt und gegessen, genauer geht mich das nicht an, ich soll in 4 Jahren kommen, wenn unsere Gemeinde mit Feiern dran ist, bis dahin soll ich die Tradition respektieren und mich in Vorfreude üben. So sind sie halt, aber ist nur halb so schlimm, am zweiten Tag (Samstag) darf nämlich jeder zuschauen. Wir aus der Nachbargemeinde auch! Hin geht es mit dem Auto, mit dem wir die vielen Pferde und Ochsengespänne überholen, die auch zum Fest fahren. Vor Ort weisen uns Reiter mit (heute) Ruten den Weg zum Parkplatz und hinter dem Stacheldraht nehmen wir dann Platz. Das ist in etwa 200 m Abstand zum Geschehen. Der Vormittag gehört noch immer der Gemeinde. Gegessen und getrunken wird allerdings nicht, eine Art Fastenzeit 🙂 . In einem Halbkreis stehen provisorische Holzhütten auf dem Feld eines Bauern, diese bieten den feiernden Familien als Sonnen- und Windschutz. Die Öffnung des Halbkreises zeigt nach Osten, dem Norden der Mapuche, dort steht auch ein Altar um den sie herumfeiern, samt Tiere, teils auf dem Feld, teils über dem Feuer. Nur Hunde werden vertrieben, da diese Schmarotzer sind. Alles in Allem ein Bild irgendwo zwischen Kaltenberger Ritterspielen und Stall zu Bethlehem. Die Reiter in Ponchos und den typisch chilenischen Hüten (niedrig aber breit) reiten um die Feierlichkeiten und passen auf. Die Zeremonie habe ich zwar dann noch gesehen, werde sie aber erst beschreiben wenn ich die ganze in der Schule gesehen habe und die Erklärungen gehört habe, ich will ja kein Halbwissen verbreiten wenn es sich vermeiden lässt! 😉

Um 16 Uhr geht es dann endlich zur Sache. Die Tänze und Riten sind vorbei, die Mapuche müde und das Fleisch fertig. Lange haben sie es über dem Feuer vor ihren Hütten gedreht. Jetzt wird gegessen was im Winter keinen Platz mehr findet: Schweine, Kühe, Ochsen, Geflügel, Pferde. Zuerst essen sich die Familien satt, dann geben sie ihren Freunden und danach den Zuschauern, uns hinter dem Zaun. Das kann dann schon nochmal etwas dauern, aber es lohnt sich!!! Wir bekommen einen großen Teller voll mit Fleisch gereicht. Der eine bringt Schwein, der andere Pferd. Ich weiß nicht mehr wie viel und was genau ich alles gegessen habe, aber Pferd war es sicher, weil es wertvoller ist als der Rest, hat sich Alfonso genau gemerkt von wem er es bekommen hat und hat mir zuerst gegeben. Er merkt es sich, weil man hier nichts bezahlt, man merkt sich wer einem gegeben hat und gibt ihm wenn man selbst feiert. das System funktioniert leider nur unter Mapuche, da bei Festen der Winkas meist bezahlt wird, was unsereins einen asozialen Beigeschmack verleiht. Die Mapuche leben nämlich seit jeher in kommunismusähnlichen Gemeinbesitzverhältnissen, der hier gut zu funktionieren scheint. Ärger gab es deshalb jedenfalls selten unter den Stämmen. Wir schlagen uns also den Ranzen voll, mit purem Fleisch. Wenn du Beilagen willst bringst du sie dir selber mit, den hier wird „echtes“ Essen gegessen! So sagen sie hier. Arme Vegetarier also, aber die gibt es hier eh nicht, kein Grund also zur Rücksichtnahme. Zum Sonnenuntergang ist dann alles gegessen, was uns gegeben wurde. Die Gemeine feiert weiter und hört auf wann sie will, ob das nun Sonntag oder Montag ist. So genau nehmen sie das hier nicht so! Das verleiht ihnen dann aber seitens der Chilenen den Ruf faul zu sein, weil sie feiern und nicht arbeiten gehen. Stimmt auch, man muss aber sehen, dass der Großteil der hier feiernden nicht in der Stadt arbeitet sondern auf dem heimischen Hof, wo es deren Angelegenheit ist ob sie arbeiten oder nicht. Selbstverantwortung nennt das dann der Deutsche und hält sich raus. Wobei man bemerken sollte, dass die Mapuche, aber die Chilenen genauso, etwas langsamer (bei Feiern und Arbeit) zu Werke gehen als der Durchschnittsmitteleuropäer, aber ihre Arbeit machen sie aber. Faulheit ist aber die Arbeit nicht zu machen, also sieht es nur so aus als wären sie faul, in Wirklichkeit sind sie langsam, was der Bayer an sich oft als Gemütlichkeit und somit als Tugend empfindet. Also nochmals Vorsicht bei den Vorurteilen! 🙂

Erkältet habe ich mich auch bei dem Fest, weil Abends dann ein kalter Wind ging, ist aber schon wieder gut!

Schulalltag

Sonntag, März 16th, 2008

Nachdem der Schulanfang vom offiziellen Beginn (nun schon) vorletzte Woche auf letzte Woche wegen Wassermangels verschoben wurde, rollten die Schulbusse nun an und es fand eine Begrüßung der Schüler durch den Schulleiter, die Direktorin und alle Lehrer statt. Wie sich das eben so gehört. Mir hatte niemand was gesagt, drum stand ich etwas nervös vor den 105 Kindern die mich mit großen braunen Augen ansahen und mehr oder weniger stramm in Reihe standen. Man kann die websigen Erstklässler ja verstehen, sind ja auch zum ersten mal weg von Mama, ruhig stehen ist da nicht drin. Die teure Schuluniform ist auch meist etwas zu groß, sofern man sie sich überhaupt leisten konnte. Ich rede also mal auf Spanisch drauf los, sage was ich sagen kann, einfallen würde mir mehr! Danach spricht auch noch der Hausmeister ein Machtwort über den Umgang mit dem Gemäuer und den Pflanzen, alle schauen aufmerksam, ob sie zuhören weiß ich nicht, denn das eine blinde und somit weißliche Auge von Don Jorge ist auch für mich eine enorme Ablenkung. Schule ist danach dann nur bedingt, weil es der Schule neben Wasser auch an einer Englischlehrerin mangelt, diese gibt auch andere Fächer, also kann ich den Ausfall nur bedingt kompensieren. So werden Formalien besprochen, der Schulbeginn für die vergangene Woche von 9:00 auf 10:00 Uhr angesetzt und den Schülern frei gegeben. Feine Sache!

Die nächsten Tage sind nicht viel anders, es wird spät begonnen und nur Unterricht „light“ gemacht. Für mich heißt das milde Vokabelarbeit in der 5. und 6., die von Englisch keinen Plan haben. Wir lernen also die Farben und malen etwas was diese Farbe hat, das ist für manche so schwer, dass wir die Nummern natürlich nicht mehr schaffen. Uno wird dann wohl morgen gespielt. Denkste, die Farben, geschweige denn deren Englische Namen sind natürlich nicht hängen geblieben. Uno wird demnach die ganze Woche nicht gespielt. Mit ihnen gar auf Englisch zu Kommunizieren ist ein weit entfernter Wunschtraum, der sehr, sehr viel Optimismus bedarf. Diesen kann ich aber beim besten Willen nach dem Sondieren des Wissensstands der 7. und 8. nicht mehr aufbringen. Gut, dass die 7. und 8. ein Projekt machen muss und ich nur die 5. und 6. habe, die ja bekanntlich wegen Raummangels kombiniert (werden sie auch bleiben), das macht die Sache leichter, das Englischunvermögen ist eh gleich. Um 14:00 Uhr (statt 17 Uhr) ist Schluss, wegen Wassermangels. Wir haben zwar Wasser in Eimern, aber der Stundenplan steht ja auch noch nicht, drum macht es wenig sinn Unterricht zu halten sagt die Direktorin den Lehrern, den Schülern und Eltern sagt sie das nicht. So vergeht eine Woche Schule und nicht viel ist passiert, außer dass das Schulessen nicht besser ist als das Mensaessen und ich seither einen milden Durchfall habe. Gut dass es Wasser in Eimern gibt!

Das Wasser scheint aber zu kommen! Arbeiter buddeln ca. einen, manchmal auch zwei Meter im Garten entlang von der Hecke zum Wasserturm. Als ein LKW mit Wasser kommt um die Zisterne zu füllen scheint sie das so zu erstaunen, dass sie für eine Stunde nicht arbeiten können. Danach ist Siesta. Drei Stunden später sehen sie das bereits Vollbrachte und gehen zufrieden nach Hause zu ihren Familien. So geht das die ganze Woche und ein zuständiger vom Staat meldet sich und berichtet, die Arbeiten gingen gut voran, aber die Fertigstellung dauere trotzdem länger, jetzt bis etwa Mai statt April.

– Ohne Kommentar meinerseits –

Und immer fragen mich die Leute wie es wohl ist hier in Chile zu unterrichten, aber leider kann ich es nicht sagen. Ich weiß es einfach nicht! Auch nach zwei Wochen Schule nicht. Aber Morgen geht es dann los, denn seit Freitag gibt es Stundenpläne, und eine Englischlehrerin gibt es nun auch! Viel Glück kann ich ihr da nur wünschen! 😀

Puerto Saavedra

Freitag, März 14th, 2008

Zurück in Labranza, ging es am Samstag nach Puerto Saavedra, einem kleinen Nest an der Küste, wo Julio, ein Lehrer an der Schule, Verwandschaft hat. Grund der Reise war eine Versammlung der dortigen Mapuche. Es soll Land gekauft werden von der Regierung, für die Mapuche – das ist gut. Die Leute dort leben deutlich ärmer als in Labranza, empfangen uns aber mit leckerer Hühnersuppe. Hühnersuppe heißt hier zurecht so, weil im Teller neben der Suppe auch ein ganzes Huhn einfach so drin liegt.

Die Versammlung verläuft nicht ganz so glatt. die Familien müssen entscheiden welches Land gekauft werden soll, gut ist keines der beiden Möglichkeiten. Auch rabiatere Methoden kommen auf. Von Weizen des Großgrundbesitzers anzünden oder nächtlich abschneiden bis Bäume der Holzfirma beschädigen steht auf der Palette. Eine sehr ungute Stimmung. Julio beruhigt die Versammlung, er weiß, dass es nicht gut ist gewaltsam zu reagieren. Es sagt mir nachher im Auto er war ein halbes Jahr im Gefängnis, weil er Feuer gelegt hat. Leicht schockiert entschließe ich mich mehr von seinen Geschichten zu hören. Wir gehen Abends in eine Bar, ein Bierchen trinken, wo ich viel erfahre, nicht alles schön, aber wichtig um die Mapuche zu verstehen. Ich werde es aber hier nicht schreiben, wäre nicht gut.

Am Sonntag war ausschlafen angesagt, bevor es dann mit der Schule am Montag losgeht!

Tanz auf dem Vulkan

Freitag, März 14th, 2008

Wie in Deutschland auch gibt es in Chile ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. Draußen darf man rauchen, und es wird auch viel geraucht, nicht nur von Chilenen und Mapuche. Einer steht immer im Freien und raucht. Er ist groß und rund und schwarz, mit einem weißen Halsband aus Gletscher: der Vulkan Villarrica.

Nach der Vorstellung bei den Machi hatte ich frei bis Montag, dem Schulbeginn diese Woche. Ich habe mich also am Donnerstag Früh kurzentschlossen in einen Bus nach Pucón gesetzt, zwei Stunden südlich im Seengebiet. Feine Sache so ein Touriort, es gibt nämlich warmes Wasser! 🙂 Also habe ich in der Jugendherberge erstmal ausgiebig geduscht, was aber umsonst war weil ich kurz darauf den letzten noch freien Platz beim Rafting in Anspruch genommen hab.

Das eigentlich geile kam aber erst am Freitag: Um 3 Uhr morgens ging es im Dunkel der Nacht mit dem Bus auf 1.400 m zur Talstation des Vulkan Villarica. Danach 5 Stunden zu Fuß noch einmal 1.400 m bergauf in den Sonnenaufgang und zum Krater! Gigantisch, die ersten Stunden in totaler Finsternis, nur sie Milchstraße über einem in der sternklaren Nacht. Zum Frühstück dann der Sonnenaufgang über den Anden östlich von unserer 20-Mann-Gruppe. Danach mit schwerer Ausrüstung über den Gletscher, der sich um den Krater gelegt hat. Immer schwärzer wird der Schnee, immer grössere Lavabrocken liegen im Eis. Die dünne Luft macht sich langsam bemerkbar, aber langsam und zielstrebig ziehen wir weiter zu einer Lavageröllwand auf Eis. Dort geht es nur mit dem Eispickel weiter. Der gefährlichste Teil des Aufstiegs, aber es passiert nichts, normal ist ein Absturz pro Gruppe meint der Führer. Dann endlich: Der Kraterrand! Auf 2.800 m bleibt mir die Luft weg. Das hat nichts mit der Höhe zu tun, dicke Schwefelwolken steigen aus dem Krater auf und ziehen direkt an uns vorbei. Echt beängstigend wenn man mal ein paar Mal die Lungen damit vollgemacht hat. Das Näschen Schwefel, dass man im Chemieunterricht bekommt ist lächerlich! Das T-Shirt vor der Nase wird der Krater erkundet. Geile Aussicht auf die erstarrten Lavaflüße im Tal, das Vorland und die Anden. Die 45 Minuten vergehen wie im Flug. Dann geht es leider schon wieder nach unten, den Gletscher rutschen wir auf dem Hosenboden runter, danach ist es nur noch eine gemütliche Wanderung durch Lavastaub, vorbei an einer zerstörten Bergstation aus den 1970ern und erstarrter Lava. Wahnsinn die Tour!!! Völlig erschöpft fahre ich zurück nach Temuco, die zwei Stunden Im Bus schlafe ich natürlich den Schlaf der Gerechten und träume von der kargen schwarzen Landschaft, den spärlichen Bewuchs, dem Schweiß, der mir vom Rücken in rauen Mengen bis in die Schuhe läuft und dem Ausblick, … dem unglaublich schönen Ausblick in der Stille vor dem Tor zum Erdinneren …

Update: der Vulkan Llaima, der ca. 50 km neben Temuco die Sicht nach Argentinien versperrt ist vorgestern ausgebrochen! Das ist der Vulkan auf den ich vor einiger Zeit nicht durfte, wegen Ausbruchgefahr. (die Polizei sucht schon! 😀 hahaha)

Schau, schau, Schamanen!

Freitag, März 14th, 2008

Letzten Mittwoch war ich mit den anderen neuen Kollegen bei zwei Schamanen, oder Machi (das „ch“ immer wie „tsch“) wie man hier sagt. Das ist nötig, weil die Machi, meist Frauen aber auch Männer, die höchste Respektsperson des Stammes sind und deshalb müssen sie sich uns natürlich erst einmal anschauen bevor wir die Ehre haben Mapuchekinder unterrichten zu dürfen. Wir fahren also bis weit hinter Chol Chol um dort in der Hütte/Haus der Machi (Mann und Frau, die auch zusammen wohnen, was ungewöhnlich ist) zusammen zu essen.

Um das Haus laufen Schweine, Hühner, Truthähne sowie Hunde und Katzen, so riecht es dann auch. Alles hier ist sehr traditionell, besonders die Türen, mit ca. 1,70 m hohem Durchgang. Im Haus ist es dunkel. Bilder von Pferden, alte schwere Holzmöbel, stammesübliche Instrumente und Schmuckstücken, die auf den ersten Blick wie Traumfänger aussehen, zieren die Wände. Die Machi steht hinter einem großen aber niedrigen gusseisernen Ofen und kocht, während der Machi andächtig am Tisch sitzt und Tee trinkt als wir leise und respektvoll eintreten. Wir werden überschwänglich begrüsst mit „Mari Mari“ begrüsst, dem Gruß in Mapudungun. Der Machi ist echt sehenswert: Ein kleiner runder Mann mit einem Kopf so Rund wie sein Bauch und kurzen Fingern an einer riesigen Hand. Sehr eindrucksvoll, ohne dass er etwas macht verbreitet er Respekt und Ehrfurcht wie die Luft die den Raum ausfüllt. Seine Frau, die Machi, ist ebenso klein und rund wie er. Ihr Gesicht ist sehr typisch indigen: rund, mit hohen Wangenknochen und runden dicken Pausbacken, die aufgrund ihres alters nicht mehr ganz so füllig sind wie in ihrer Jugend, was ihren Gesicht mit den Tränensäcken eines Horst Tappert die Züge ähnlich einer Bulldogge verleit, aber freundlich. Das folgende Gespräch beim Essen geht über die Kultur der Mapuche und Religon im Allgemeinen. Der Machi war während der Diktatur gläubiger Katholik und findet auch heute noch viel Gutes am Papst, weil er bei seinem Chilebesuch gesagt hat die Mapuche sollen ruhig ihre Kultur bewahren, weil sie kostbar sei und Gott nichts gegen sie habe, er hat ja auch die Mapuche gemacht. Das verschafft Respekt. Der Papst ist in Chile eh gern gesehen, zumindest Johannes Paul II., weil er den Krieg zwischen Chile und Argentinien über Feuerland durch Verhandlungen abgewandt hat. Daran müssen sich die Protestanten hier messen lassen und schneiden dementsprechend schlecht ab in der allgemeinen Ansicht. Auch der Machi findet harte Worte, danach höre ich nicht mehr zu, ich bin müde vom vielen Zuhören und schaue mir lieber den Machi an. Seine Finger haben sicherlich einen Durchmesser von 3 oder mehr cm. Wahnsinn auch die beiden Ringe an seinen Ringfingern: schlichtes massives Silber mit einem großen Stern in der Mitte. Auf dem Kopf bindet ein Stirnband die langen grauen Haare nach hinten. Ein pfannenkuchengroßes Stück Fleisch verschwindet hinter seinen Händen, als es wieder auf dem Teller erscheint fehlt ein riesiges Stück, dass er mit seinen wenigen Zähnen herausgerissen hat. Ich glaube sein Mutter nannte ihn „Stiernacken“, ich hätte es jedenfalls getan, auch wenn das kein katholischer Heiliger ist. Wenn er lacht zucke ich fast, so laut drückt er die Luft aus seinem massiven Brustkorb den kurzen wurstigen Hals heraus. Auch die Machi hat ein Kreuz bei dem ein jeder Profischwimmer erblasst, auch die männlichen. Und so schaue ich und mache mir Gedanken, ein Vergleich dümmer als der andere, trinke Tee und schon fahren wir auch wieder. Nachdem der Machi nichts gegen mich hat, warum auch, er hat mich nichts gefragt, weil er dachte ich spreche kein Spanisch. Auf der Heimfahrt freue ich mich, dass ich nicht der einzige bin der das Genuschel von Don Roberto nicht immer versteht.

Fotos gibt es natürlich keine, weil die Machi das strikt ablehnen! Das wird sich auch die zwei Monate nicht ändern und auch für alle weiteren Feier etc. gelten! Schade, aber das muss man akzeptieren.

Unsere kleine Farm

Mittwoch, März 5th, 2008

Nach der Übergangsfamilie in der Vorstadt von Temuco ging es am Montagmorgen zur Schule ca. 15 km außerhalb Temucos nahe einem verschlafenen, relativ typisch ärmlichen Nest namens Labranza. Die Schule selbst ist wirklich im Nichts. 15 Minuten Schotterstraße trennen sie von Labranza oder einer weiteren Einfahrt etwas näher bei Temuco. Ich wohne bei einer Mapuchefamilie 5 Minuten von der Schule (hier misst man alles in Zeit mit Auto oder Zeit zu Fuß, meine Angaben sind Autozeiten) ebenfalls mitten im Nichts! Aber es ist ein schönes Nichts, nicht so wie in der Unendlichen Geschichte, ganz im Gegenteil, unser Nichts ist dagegen eher reich bestückt mit einem Holzhaus, einer gefliesten Terrasse, zwei Hunden, vielen Hühnern und Küken, dazu einer Kuh mit Kalb und einem großen Weizenfeld vorm Haus. Sehr idyllisch und ruhig also das Ganze. Ich finde es ziemlich cool. Was ich vermisse ist ein Internetanschluss und warmes Wasser. Wir können uns aber sehr glücklich schätzen, denn wir haben Wasser, im Gegensatz zur Schule, die nur wenig weiter schon seit 1997 auf einen Anschluss wartet, aber der nette Herr vom Bildungsministerium hat uns am Montag versichert, dass wir im April sicher Wasser haben werden. Bis dahin sollen wir uns mit Regenwasser begnügen, klar kein Problem, weil es hier im Hochsommer ja so oft regnet! Dem Spaßvogel ist das sehr wohl bewusst, immerhin wohnt er auch in Temuco und hat seit November erst einmal Regen gesehen, aber die Ausrede zieht seit gut 10 Jahren warum also nicht auch dieses Jahr. Ihr merkt, hier geht es etwas anders zu als im Rest Chiles, das liegt schicht und einfach daran, dass ich jetzt da bin wo viele Mapuche (die indigene Bevölkerung) wohnen. Sie wohnen hier sehr gerne und würden dies auch ungestört tun, wenn die chilenische Staat in den 1960er Jahren nicht den bis dato anerkannten und souveränen (!!!) Mapuchestaat annektiert hätte. Die Mapuche waren nämlich der einzige Stamm der nie besiegt wurde und einen eigenen Staat gründete als es modern war sich von seinen Kolonialherren loszusagen. Von da an wurde ihnen ihr Land Schritt für Schritt enteignet und an deutsche Einwanderer geschenkt, die sich mit guter Infrastruktur und einer funktionierenden Feuerwehr bedankten und dies bis heute machen. Deutsche sind hier also sehr gerne gesehen wie ihr euch sicher vorstellen könnt. Aber die Mapuche sind nicht so schlicht wie manch ein Deutscher, der hier noch immer den berühmten 1.000 Jahren zwischen 1933 und 45 nachtrauert, sie haben dazugelernt. Die Mapuche wollen heute nur in Frieden leben und ihre Kultur pflegen so gut es eben noch geht, was an sich ja kein Verbrechen ist. Nur erkennt die chilenische Verfassung keine Minderheiten an, laut ihr gibt es auf Staatsgebiet nur Chilenen, was an sich zwar nicht nett, aber noch kein Verbrechen ist. Allerdings gibt es da eine unschöne Konstellation mit einem internationalen Vertrag den Chile mit anderen Ländern unter der Führung der USA, nach dem 11.9. unterzeichnet hat, dieser macht solch anti-nationalen Bestrebungen wie die der Mapuche leider terrorverdächtig. So schafft man sich über Nacht eine Terrorgefahr wo vorher nur armes Bauernvolk war. Und so ist es nun ein Verbrechen einfach so in Ruhe vom chilenischen Staat leben zu wollen.
Davon merkt man aber hier recht wenig. Alle sind hier bedacht ihre Kultur nicht zu verlieren und zu vergessen, das ist nichts gewaltvolles. Es tut mir echt nicht Leid falls ich euch jetzt eure Indianderklischees verderbe: Hier rennt niemand im Lendenschurz oder Federn im Haar herum (Ausnahme: Mapuchekinder, die Indianer spielen – ja Ironie, gell?). Die Menschen leben in Häusern haben Fernsehen und fließend Wasser sowie Autos, Mikrowellen und Handys. Ab und zu gibt es feierliche Anlässe, dann zieht man seine Tracht aus dem hintersten Eck des Schranks hervor, fährt oder reitet zum Veranstaltungsort und tanzt dort Tänze die man nie irgendwo sonst aufführen würde (Ausnahme: Touristen). Wen das jetzt in irgendeiner Form an das bayerische Brauchtum erinnert, so ist das durchaus gewollt! Es ist hier kaum anders!!! Hart aber wahr. Die Kinder lachen die Alten in ihren Trachten aus, können selber nur noch die Hochsprache (hier Spanisch) und scheren sich einen Dreck um althergebrachte Traditionen, da der PC oder die Playstation wesentlich interessanter ist. Da wird es doch plötzlich etwas anschaulicher, dieses ferne und fremde Chile (Bier gibt es hier übrigens auch in Litern, nur so zur Desillusionierung!!!). Sind wir nicht alle ein bisschen Bayern/Mapuche…
Ich werde demnächst mal Bilder von unserer kleinen Farm hochladen, noch habe ich keine, weil die Mapuche es überhaupt nicht mögen fotografiert zu werden, meine Gastfamilie ist macht da keine Ausnahme. Ich bin aber sehr zufrieden hier, auch weil ich hier meine bescheidenen Kenntnisse aus meiner Zivizeit wieder gebrauchen kann! Wer hätte das gedacht, da ist man rund 13.000km vom Kinderhaus Peißenberg (ja das gibt es noch!) entfernt und in meiner Familie haben sie ein schwerstbehindertes Kind, mit ähnlichen Merkmalen wie das zu meiner Zivizeit! Da hat die Rosita noch mit einem schockierten Deutschen gerechnet, der hat sich aber nicht schocken lassen und hat gleich mal die Spastik vom Nicolas richtig erkannt und angemessen darauf reagiert. Da ist auch der schelmisch lachende Alfonso begeistert vom Winka (so nennt man Nicht-Mapuche in Mapudungun). Ich sag’s euch, es fühlt sich toll an auch mal Klischees andersherum abzubauen!!! Vielen Dank für dieses tolle Gefühl an meine ehemaligen Kolleginnen im Kinderhaus von dieser Stelle!!!